Jamala beim Sieg in Stockholm 2016.

Foto: Anders Putting (EBU)

Als am 14. Mai 2016 die Ukrainerin Jamala den Eurovision Song Contest in Stockholm gewinnen konnte, war die Freude in der Ukraine groß. Das kriegsgebeutelte Land wusste, dass die weltweit größte Musikshow eine einzigartige Gelegenheit sein würde, der Welt ein offenes und freundliches Gesicht abseits von Kriegsberichten und Korruption zu zeigen.

Zunächst war das Vertrauen in die TV-Anstalt UA-PBC groß, sie würde das schon hinkriegen, auch wenn Song-Contest-Chef Jan Ola Sand noch am Finalabend in Stockholm Richtung ukrainischer Delegation einmahnte: Er gehe davon aus, dass in Kiew alle Fans willkommen seien.

In den vergangenen Tagen wurde aber immer deutlicher, dass das Schlamassel in Kiew größer ist als bisher befürchtet.

21 Personen zurückgetreten

Am 13. Februar wurde bekannt, dass das gesamte Produktionsteam des ESC in Kiew zurückgetreten ist, insgesamt immerhin 21 Personen, darunter Commercial Director Irina Asman, Eventmanager Denys Bloschtschinski und Sicherheitschef Olexi Karaban. In einem offenen Brief beklagte sich das Team, dass aufgrund interner Streitigkeiten die Vorbereitungen seit zwei Monaten de facto stillstehen würden.

Die European Broadcasting Union (EBU), der Dachverband der europäischen TV-Sender und zuständig für den Eurovision Song Contest, beeilte sich daraufhin in einem Statement zu unterstreichen, sie gehe davon aus, dass alle Vereinbarungen und Zeitabsprachen halten würden.

Keine Fantickets?

Ein paar Wochen zuvor hatte der internationale Dachverband der Song-Contest-Fanclubs (OGAE) verkündet, dass auch in Kiew ein Fankontingent zur Verfügung stehen würde. Nach dem Rücktritt des Produktionsteams galt diese Vereinbarung jedoch plötzlich nicht mehr, und die OGAE Germany war die erste Fanclub-Gruppe, die ihren Mitgliedern mitteilte: Sorry, Leute, dieses Jahr gibt es doch keine Tickets für euch. Die Aufregung war groß. Möchte die Ukraine einen nationalen Bewerb ohne internationales Publikum? Diese Frage stellten sich viele.

Am 14. Februar sollten dann die Tickets in den Verkauf gelangen. Fans wussten plötzlich nicht mehr: Gibt es doch noch Fankontingente? Muss ich doch jetzt bestellen? Kurz vor dem Start gab es Entwarnung der OGAE-Fanclubs: Angeblich gebe es doch noch ein Fankontingent, wenn auch nicht mehr im vereinbarten Ausmaß. Die erste Wellte der Ticketverkäufe startete dann tatsächlich ohne Karten für die für Fans vorgesehenen Stehplatzsektoren.

Allerdings ging dieser Ticketverkauf mit vielen Pannen über die Bühne, wie etwa der Fanblog "Prinz" berichtet. Viele User und Userinnen kauften Karten und erhielten diese per Mail, um danach eine weitere E-Mail zu erhalten, in der ein Fehler bei der Transaktion bedauert wird. Manche Fans wissen immer noch nicht, ob ihre Karten nun gültig sind. Und manche bestellten Tickets, um erst später zu erfahren, dass sie doch noch ihre Fankontingent-Tickets erhalten würden.

Ein Schwede als Retter

ESC-Chef Sand sagte am 21. Februar im norwegischen Fernsehen NRK, dass er "so etwas noch nie gesehen" habe. Die Gastgeber in Kiew seien ziemlich überfordert. "Der Kartenverkauf ist verspätet, weder das Licht noch die Bühne noch das Soundsystem sind an ihrem Platz." Der Executive Supervisor des Song Contest war eindeutig besorgt. Nun soll ein schwedischer Veteran als neuer Produzent des Song Contest dafür sorgen, dass der Bewerb doch noch vom 9. bis 13. Mai auf dem Internationalen Ausstellungsgelände in Kiew stattfinden kann.

Christer Björkman war relativ erfolgloser Vertreter Schwedens beim Eurovision Song Contest 1992, wurde dann aber trotzdem Mister Song Contest seines Landes. Er organisierte die ungemein erfolgreichen schwedischen Vorentscheidungen "Melodifestivalen", deren aktuelle Staffel derzeit in Schweden läuft. Er ist alljährlich Delegationsleiter Schwedens beim Bewerb und war Produzent der Song Contests 2013 in Malmö und 2016 in Stockholm.

Mit etwas Glück gibt es am 13. Mai doch einen Sieger in Kiew. Mit Italien gibt es bereits einen heißen Favoriten, auch wenn noch viele Beiträge unbekannt sind. Der österreichische Beitrag "Running On Air" von Nathan Trent wird am 28. Februar im Ö3-"Wecker" präsentiert. (Marco Schreuder, 24.2.2017)