Bei der Lärmschutzwand beim Theodor-Körner-Hof in Wien-Margareten wurde zugunsten der Vögel auf bedrucktes Glas gesetzt – die Bewohner hatten sich ursprünglich hundertprozentige Durchsicht gewünscht.

Foto: Buchberger

In einem Besprechungszimmer der Umweltanwaltschaft in Heiligenstadt deutet Wilfried Doppler auf einen verschmierten Abdruck auf der Fensterscheibe: "Hier sieht man den Kopf und hier die Flügel", sagt er und schlussfolgert: "Das war eine Taube."

Doppler ist für eine solche Spurensuche sensibilisiert: Die Wiener Umweltanwaltschaft beschäftigt sich seit rund 20 Jahren mit der Gefahr, die Glasflächen für Vögel darstellen, besonders jene mit freier Durchsicht – Lärmschutzwände und Wintergärten zum Beispiel – sind riskant, weil die Vögel die Glasflächen übersehen und damit kollidieren. Flächen, die die Umgebung spiegeln – etwa die Fassaden manchen Büroturms in der Wiener Donau-City – sind verhängnisvoll für Vögel, genau wie Hochhäuser, die in der Nacht beleuchtet sind und so Zugvögel vom Kurs abbringen.

Keine Zahlen

Doppler schätzt, dass im Jahr allein in Wien 20.000 Vögel an den Folgen einer solchen Kollision sterben: "Der Vogelschlag ist eine der größten vom Menschen verursachten Todesursachen bei Vögeln." Exakte Zahlen gibt es keine: Die toten Vögel liegen meist nicht vor den Gebäuden selbst, sondern retten sich mit inneren Verletzungen in ein Gebüsch, wo sie verenden oder gefressen werden.

Vogelfreundliches Bauen ist in Österreich kein Muss. Anderswo schon: In der kanadischen Metropole Toronto zum Beispiel müssen seit 2010 zumindest die ersten zwölf Meter von Neubauten vogelfreundlich gestaltet werden. Seit 2010 gibt es mit der ONR 191040 in Österreich aber ein Regelwerk in puncto Vogelschutzglas – es ist die weltweit einzige Norm dafür, wie Doppler stolz erzählt. Seit 2006 wird von Fensterherstellern unterschiedliches Vogelschutzglas in einem Flugtunnel in Hohenau getestet. Laut Doppler gibt es immer mehr Produkte am Markt.

Versuche im Flugtunnel

Was vogelfreundliche Fenster von anderen unterscheidet: Die gesamte Fläche ist durchgängig für Vögel sichtbar. Die Versuche im Flugtunnel haben gezeigt: Die schwarzen Greifvogelaufkleber, die auf vielen Fenstern angebracht sind, verhindern keine Kollisionen. Auch UV-Glas bringt nichts. Als "hochwirksam" hat sich aber Glas erwiesen, das mit schwarz-orangen vertikalen Punktreihen oder mit schwarzen horizontalen Linien im Abstand von 28 Millimetern bedruckt ist.

Das Bewusstsein für den Vogelschutz sei bei Planern und Bauherren gestiegen, sagt Eva Karner-Ranner von Birdlife Österreich. Das bestätigt man auch bei der Umweltanwaltschaft: Glasflächen bei U-Bahn-Stationen und Bahnhöfen würden immer öfter mit kunstvoll bedrucktem Glas ausgestattet.

Als besonders positives Beispiel heben die Experten eine Lärmschutzwand beim Theodor-Körner-Hof in Wien-Margareten hervor, deren Musterung sogar im Flugkanal getestet wurde. Architekt Andreas Treusch hat die Lärmschutzwand geplant: "Man bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen dem, was Bewohner wollen, und dem, was die Vögel brauchen", erzählt er.

Vogelfreundlich planen

Im Vorfeld hätten die Bewohner nämlich auf hundert Prozent Durchsicht bei der Lärmschutzwand bestanden und bedrucktes Glas daher abgelehnt. Beschwerden habe es am Ende über die mit vertikalen Streifen bedruckten Scheiben aber nie gegeben, sagt Treusch, der auch bei anderen Projekten vogelfreundlich plant: "Man muss versuchen, sich in die Vögel hineinzuversetzen."

Genau das vergessen besonders Häuslbauer auf dem Land, die bei der Umweltanwaltschaft dann Rat suchen, wenn der Wintergarten zur Todesfalle für Vögel wird. Ein Nachrüsten mit aufklebbarer Folie ist zwar möglich, Vogelexpertin Karner-Ranner hat aber auch einen anderen Tipp parat: nämlich einmal auf das Fensterputzen zu verzichten: "Eine dünne Staubschicht am Fenster hilft schon gegen die trügerische Spiegelung." Nachsatz: "An wirklich problematischen Stellen wird man damit aber natürlich nicht auskommen." (Franziska Zoidl, 2.3.2017)