Als einzige Touristen weit und breit bekommen meine Reisebegleitung Marco und ich unzählige Blicke und mehr Aufmerksamkeit geschenkt als uns lieb ist. Wir sind am Grenzübergang Togo-Wujaale zwischen Äthiopien und Somaliland und reisen innerhalb von Minuten in Somaliland ein.

Schnell bildet sich eine Menschentraube. Alle streiten darum, wer uns nun in die Hauptstadt Hargeisa fährt. Erst durch das diplomatische Einschreiten des Grenzbeamten werden die Handgreiflichkeiten beendet und wir sitzen in einem Sammeltaxi. 

Sammeltaxis in Afrika fahren aber nicht los, sobald alle Plätze besetzt sind, sondern erst, wenn die Autos so voll sind, dass die Luft zum Atmen knapp wird. Deswegen müssen wir eine Stunde warten, bis sich sechs zusätzliche Passagiere finden.

Foto: Max Leyerer

Wir passieren mehrere Militär-Checkpoints, unsere Pässe werden gründlich kontrolliert. Laut unserem Fahrer soll damit verhindert werden, dass militante Gruppen den Weg in die großen Städte finden. Bei der gefühlt hundertsten Passkontrolle nimmt uns ein Offizier die Ausweise ab und bittet uns, mitzukommen.

Ein mulmiges Gefühl macht sich in uns breit. Wir gehen in ein abgesperrtes Haus hinein und werden in ein Hinterzimmer geleitet. Mehrere Soldaten stehen um einen Schreibtisch herum, hinter dem eine ältere Dame sitzt.

Schwierige Hinterzimmerverhandlungen

Wir sollen eine Gebühr von circa 200 Euro bezahlen, um weiterreisen zu dürfen und die Pässe wieder zu bekommen. Unser Fahrer beginnt mit den Offizieren zu diskutieren, doch zwecklos: Wir sollen zahlen.

Da fällt mir ein, dass ich noch ein Dokument der somalischen Botschaft in Addis Abeba eingesteckt habe, auf dem klar und deutlich verzeichnet ist, dass wir bereits für das Visum bezahlt haben. Die Offiziellen zweifeln die Richtigkeit des Dokuments an, aber wir bleiben standhaft und bekommen unsere Pässe zurück. Nach langer Anreise und schwierigen Verhandlungen kommen wir in Hargeisa an.

Neolithische Höhlenmalereien

Anfang der 2000er-Jahre hat ein Forscherteam außerhalb von Hargeisa einen historischen Fund gemacht: Laas Geel – neolithische Höhlenmalereien versteckt in Felsen, Höhlen und kleinen Steinnischen, die zwischen 9000 und 3000 v. Chr. entstanden sind. Diese Höhlenmalereien sind mitunter die frühesten Werke auf dem afrikanischen Kontinent. 

Wenn man Hargeisa als Tourist verlässt, um tiefer ins Landesinnere zu reisen, ist es Pflicht, bewacht zu werden. Wir heuern also einen Soldaten für 20 US-Dollar pro Tag als Bodyguard an. Das ist nicht deswegen notwendig, weil es eine akute Gefahr gibt, sondern weil Somaliland den offiziellen Unabhängigkeitsstatus als Staat erlangen will, und mögliche Vorfälle präventiv verhindern möchte, erklärt unser Fahrer nach Laas Geel.

Foto: Max Leyerer
Foto: Max Leyerer

Die holprige Anreise führt über Schotterpisten und raues Terrain an Kamelen und Kakteen vorbei, bis wir uns fern von jeglicher Zivilisation fühlen. An einem winzigen, weißen Haus mit blauen Fensterläden angekommen, stolpert ein alter Mann in staubiger Uniform hervor und präsentiert uns stolz ein Buch, in das wir uns eintragen sollen. Beim Durchblättern der Seiten finde ich knapp 20 Namen von Österreichern, die in den letzten fünf Jahren Laas Geel besucht haben. 

Foto: Max Leyerer

Laas Geel ist im Grunde genommen nur eine Ansammlung von Felsen und Höhlen inmitten der somalischen Wüste. Aber diese unscheinbaren Felsen enthalten wertvolle Zeichnungen von Tieren und sind die am besten erhaltenen Höhlenmalereien aus der Jungsteinzeit.

Der alte Mann hechtet mit uns zwischen den Felsen herum und gibt uns einen Einblick in die Geschichte von Laas Geel. Die Detailtreue und die kräftigen Farben, die den Witterungen seit tausenden Jahren trotzen, sind beeindruckend. Zwischendurch lasse ich den Blick über die umliegende raue Landschaft schweifen. Mir fehlen die Worte. Dieser Ort ist ein verborgener Schatz und lässt mich von noch mehr unentdeckten Schätzen auf dieser Welt träumen.

Foto: Max Leyerer
Ausblick von Laas Geel
Foto: Max Leyerer

Zurück in Hargeisa sammeln wir Eindrücke an jeder Ecke. Der Markt hat eine staubige, hektische Atmosphäre. 

Foto: Max Leyerer

Besonders beeindruckend sind die Wechselbüros – wenn man sie so nennen kann: Männer auf Stühlen umringt von gigantischen Stapeln von Somaliland Shilling. Fischernetze sichern die heiße Ware gut ab. Für 100 Euro bekommen wir stapelweise Landeswährung.

Foto: Max Leyerer

Keine Straßenüberquerung ohne dass wir freundlich gegrüßt werden, uns "America" nachgerufen wird oder man uns die Hand schütteln möchte. Wir fühlen uns zu keinem Zeitpunkt wirklich gefährdet oder unsicher. Der letzte Anschlag in Somaliland liegt mehr als zehn Jahre zurück und die derzeitige Lage hier ist weitaus stabiler und sicherer als im Süden des Landes. Aber was wäre ein Besuch am Horn von Afrika ohne Stopp in Mogadischu. Somalia sieht mich wieder. (Max Leyerer, 31.3.2017)