Im vorigen Blogbeitrag ging es um den eher enttäuschenden Auftakt unserer Reise: Der Baikalsee, welchen mein Kollege Philipp Kurz und ich in voller Pracht genießen wollten, war zugeschneit. Wir blieben allerdings optimistisch und machten uns auf den Weg zum nächsten Ziel: Olchon, mit 72 Kilometer Länge ihres Zeichens größte Insel des Baikalsees und bekannt für ihre starken Winde und spektakuläre Felsen.

Eis unter den Füßen

Der einzige Weg auf die Insel führt natürlich direkt über den gefrorenen See. Sobald die Eisschicht dick genug ist, wird eine offizielle Straße eingerichtet und freigegeben. Als wir am Ende der befestigten Straße am Seeufer ankommen, gibt es eine kleine Überraschung: Weit und breit ist kein Verkehrsschild am Eis zu sehen, es sieht so gar nicht aus wie auf den Bildern, die wir bei unseren Recherchen gefunden haben. Wir beobachten, wie sich einige asiatische Touristen in einem Kleinbus nähern. Anstatt allerdings, wie von uns erwartet, einfach über das Eis zu fahren, müssen die Reisenden aussteigen und per Luftkissenboot auf die Insel übersetzen.

Philipp und ich warten ab, ob sich ein einheimisches Fahrzeug über das Eis wagt. Zu unserer Enttäuschung müssen wir feststellen, dass sich selbst offensichtlich Einheimische nach einigen Überlegungen und Gesprächen mit anderen Wartenden gegen das Wagnis entscheiden. Nun stehen wir vor einem kleinem Problem: Unser Mietwagen ist noch für zweieinhalb weitere Tage bezahlt, wir haben aber geplant, die nächsten Tage auf Olchon zu verbringen und dafür bereits eine Unterkunft reserviert. Aufgrund zweier Faktoren – es ist keine Wetterverbesserung zu erwarten und die Kosten des Leihwagens fressen einen viel zu großen Teil unseres Reisebudgets, um es einfach am Ufer zu parken – entscheiden wir uns, den Reiseplan endgültig über Bord zu werfen.

Philipp im Wettrennen mit dem Hovercraft in Richtung der Insel Olchon.
Foto: Michael Prügl
Eine kleine Siedlung am Ufer des Baikalsees, nahe der Insel Olchon.
Foto: Michael Prügl

Planlos mitten in Sibirien

Bevor wir uns über die weiteren Destinationen unserer Reise Gedanken machen können, ist es erst einmal an der Zeit eine Unterkunft zu finden. Wir wollen weder in unsere alte Unterkunft zurückkehren, noch wollen wir uns eine neue Bleibe in der spärlich besiedelten Gegend rund um Olchon suchen und entscheiden uns daher für das Städtchen Listwjanka. Wir erhoffen uns hier eine passable Unterkunft zu finden, da die Stadt vor allem durch Tourismusorganisationen aufgebaut wurde und bis 2026 unter dem Namen "Baikal-City" weltberühmt werden soll.

Nach kurzer Suche werden wir tatsächlich fündig, das Hotel kann im Gegensatz zu den restlichen Unterkünften unserer Reise gut und gerne als "hip" bezeichnet werden. Von Listwjanka selbst bleibt uns bis auf das Abendessen nicht viel, passend zu unserer letzten Nacht am Baikalsee entscheiden wir uns für den nur dort vorkommenden Fisch Omul, der rund um den Baikalsee als Spezialität gilt. Für die weitere Reiseplanung schreiben wir Dimitri an, einen Instagramer aus Irkutsk, mit dem wir bereits kurz vor unserer Reise in Kontakt waren. Da wir nicht im Geringsten über einen Plan B verfügen, müssen wir nicht lange überlegen und nehmen den Vorschlag unseres russischen Freundes an: Am nächsten Morgen geht es Richtung Arschan, einem Berg- und Luftkurort im Sajangebirge.

Morgendlicher Zwischenstopp in Irkutsk.
Foto: Michael Prügl

Zwischen den Welten

Der Weg von Listwjanka nach Arschan führt – wie gefühlt alle unsere Routen – durch Irkutsk, danach geht die viereinhalbstündige Fahrt über Passstraßen und bergiges Gelände weiter. Die Straßen sind generell weitaus besser befahrbar als erwartet, der Asphalt wirkt relativ neu und es gibt keinerlei Schlaglöcher. Unsere – natürlich von Vorurteilen beeinflussten – Befürchtungen sind weitaus schlimmer. Probleme stellen einzig die immer wieder auftretenden Erhebungen dar, die ähnlich wie Bremsschwellen vor Fußgängerübergängen aufgebaut sind, jedoch völlig unangekündigt auch auf einem geraden Streckenabschnitt vorkommen. Als es auf der Hälfte des Weges zu schneien beginnt, wird die Fahrt doch noch etwas interessanter.

Es wird zwar versucht, dem Schneefall mit Räumfahrzeugen beizukommen, jedoch hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine dünne Schneeschicht am Boden festgefroren. Im Endeffekt bleibt die meistbefahrene Fahrspur relativ schneefrei, blöd nur, wenn auch der Gegenverkehr diese Spur befahren will. In Kurven mit entgegenkommenden Autos baut sich immer eine gewisse Grundspannung in unserem Fahrzeug auf, jedoch haben wir Glück und kommen ohne Zwischenfälle an unser Ziel. Um die Mittagszeit halten wir kurz in der Arbeitersiedlung Kultuk, am westlichen Ende des Baikalsees. Die rund 4.000 Einwohner zählende Siedlung ist zum Großteil von Russen bevölkert. Wie wir auf der weiteren Fahrt feststellen, war Kultuk die letzte traditionell-russische Siedlung vor der Grenze zur Republik Burjatien.

Ein russischer Mann an einer Bushaltestelle in Kultuk.
Foto: Michael Prügl

Republik Burjatien

Die Burjaten stellen neben den Russen den größten Teil der Bevölkerung in der südlichen Baikal-Region. Ursprünglich ein Nomadenvolk mongolischer Abstammung, wurden die Burjaten unter russischer Herrschaft gezwungenermaßen sesshaft und leben heute vor allem von Viehzucht und Jagd. Charakteristisch für diese Gegend sind bunte Holzhütten, die in gelb, grün und türkis gehalten sind. Im Vergleich zu den russischen Siedlungen wie Kultuk fühlen wir uns wie in einer komplett neuen Welt. Bis auf die kyrillische Schrift, die sich hier im Großen und Ganzen durchgesetzt hat, haben Russland und Burjatien wenig gemein.

Auf dem Weg nach Arschan müssen wir einige Male anhalten, weil Kühe die Straße überqueren oder wir einfach die bunten Häuser mit dem Sajangebirge im Hintergrund bewundern müssen. In Arschan angekommen, haben wir Schwierigkeiten, die kurz zuvor gebuchte Unterkunft zu finden. Google Maps lässt uns ein weiteres Mal im Stich, nach zwei vollen Runden durch das nicht allzu große Arschan stehen wir allerdings endlich vor unserer Bleibe. Nachdem dieser doch sehr relevante Teil unserer weiteren Reise geklärt ist, nützen wir den restlichen Tag, um die Dörfer und Siedlungen rund um Arschan zu erkunden. (Michael Prügl, 3.3.2017)

Fortsetzung folgt.  

Wilde Pferde. Im Hintergrund das Sajangebirge.
Foto: Michael Prügl
Zwei Kinder, die sich offensichtlich darüber freuen, Touristen in ihrem Ort zu sehen.
Foto: Michael Prügl

Links