Ein großes Problem: Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind, veränderten sich ständig und werden so auch gegen neue Medikamente immun.

Foto: APA/dpa/Daniel Karmann

Genf – Antibiotikaresistenzen zählen zur größten Gefahr für die Patientensicherheit. Das hat auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkannt und legt nun eine Liste mit den zwölf für die Menschheit gefährlichsten Bakterienfamilien vor.

Sie rief Regierungen am Montag in Genf auf, Anreize für Forscher in Universitäten und Pharmafirmen zu schaffen, um neue Antibiotika zu entwickeln. Betroffen seien Millionen Patienten in aller Welt, sagte Evelina Tacconelli, Mitglied der Europäischen Gesellschaft für klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten (ESCMID).

Ihren Angaben zufolge sterben 60 Prozent der Patienten mit schweren Infektionen, die sich nicht mehr mit Antibiotika behandeln lassen können. An Schätzungen über die weltweite Zahl von tödlichen Infektionen durch Antibiotika-resistente Bakterien wolle die WHO sich aber nicht beteiligen. Britische Forscher nannten 2014 eine Zahl von weltweit 700.000 im Jahr.

"Bald keine Behandlungsmöglichkeiten mehr"

Die WHO entwickelte die Liste mit Forschern der Universität Tübingen. Das Thema soll bei einem G20-Treffen von Gesundheitsexperten nächste Woche in Berlin zur Sprache kommen. "Die Antibiotika-Resistenz wächst, und wir haben bald keine Behandlungsmöglichkeiten mehr", sagte WHO-Expertin Marie-Paule Kieny. "Wenn wir es allein den Marktkräften überlassen, werden die neuen Antibiotika nicht rechtzeitig entwickelt." Die Liste enthalte bewusst nicht die Tuberkulose-Erreger, weil die Entwicklung neuer Medikamente dafür bereits im Gange sei. Nach WHO-Angaben entwickeln allein 480.000 Menschen im Jahr eine Resistenz gegen Anti-Tuberkulose-Mittel.

Besonders gefährlich seien Keime, die gegen mehrere Antibiotika resistent sind, so die WHO. Diese Bakterien veränderten sich ständig und werden so auch gegen neue Medikamente immun. Diese Immunität könnten sie auch an andere Bakterien weitergeben. Zu den Gattungen der gefährlichsten Keime gehören laut WHO etwa Acinetobacter, Pseudomonas und Enterobacter. Zu letzteren gehören Kolibakterien, die Durchfälle auslösen können.

Alte Menschen besonders betroffen

"Wir wollen jetzt keine Panik über neue Supererreger verbreiten", sagte Kieny. "Es geht darum, die Forschungsanstrengungen zu fokussieren." Anreize könnten etwa Prämien für Pharmafirmen sein, wenn ihr Medikament auf den Markt kommt.

Neben Transplantations- und Chemotherapiepatienten sowie Kranken, die Katheter benötigen oder beatmet werden müssen, seien Bewohner von Pflegeheimen besonders betroffen, sagte ESCMID-Mitglied Tacconelli. Problem dort sei unter anderem "der unkontrollierte Einsatz von Antibiotika".

Nicht immer sei ein Arzt vor Ort, und Bewohner bekämen teils Antibiotika, wenn es nicht nötig sei. Das führt dazu, dass mehr Erreger resistent werden. Ältere Menschen hätten zudem oft ein geschwächtes Immunsystem und seien deshalb stärker anfällig für Infektionen. Erst im Jänner dieses Jahres ist in den USA eine Patientin an einer Infektion gestorben, nachdem alle 26 zugelassenen Antibiotika ohne Wirkung geblieben waren. (APA, dpa, 28.2.2017)