Bild nicht mehr verfügbar.

Gegner der unionistischen DUP argumentierten im nordirischen Wahlkampf auch mit dem Brexit.

Foto: AP Photo/Peter Morrison

Belfast/London – Starke Verunsicherung durch den Brexit, Lustlosigkeit des Wahlvolks, bittere Töne bei der letzten TV-Debatte: Unter wenig erbaulichen Vorzeichen sind die Nordiren am Donnerstag aufgerufen, ihr Parlament in Belfast zu bestimmen. Beim zweiten Urnengang binnen zehn Monaten könnte erstmals Sinn Féin (SF) und damit eine Partei der katholisch-nationalistischen Bevölkerungsgruppe die bisher dominante protestantische Unionistenpartei DUP überholen. Doch eine Lösung der politischen Krise rückt nicht näher.

Die diversen Abkommen, die 1998 den 30 Jahre währenden Bürgerkrieg beendeten, zwingen die jeweils größten Parteien der beiden Bevölkerungsgruppen zur Zusammenarbeit in der Regionalregierung. Dies gelang seit 2007 jahrelang gut; der von DUP und SF geführten Koalition gehörten auch die meisten kleineren Parteien an.

Aber seit 2016 häufen sich die Konflikte. Zunächst gingen nach der jüngsten Wahl im Mai 2016 die kleineren Parteien in die Opposition. Dadurch wuchs der Druck auf DUP (29 Prozent) und SF (27), ihre je eigene Klientel zufriedenzustellen. Außerdem kam der SF-Regierungsvize und strategische Kopf der Republikanerbewegung, Martin McGuinness, mit der neuen DUP-Ministerpräsidentin Arlene Foster persönlich nicht zurecht. Im Jänner übergab der schwerkranke McGuinness den SF-Vorsitz an Gesundheitsministerin Michelle O'Neill.

Skandal um Heizsysteme

Gleichzeitig eskalierte der Streit um einen Skandal, bei dem etwa eine halbe Milliarde Steuergelder verschleudert wurden – britisches Geld, hängt die Provinz doch großteils am Londoner Tropf. Während ihrer Zeit als Wirtschaftsministerin hatte Foster 2012 ein Förderungsprogramm für alternative Energien aufgelegt. Da jedes für Holzpellets oder Biomasse ausgegebene Pfund mit 1,60 Pfund subventioniert wurde, installierten Bauern völlig unnötige Heizsysteme, verschwendeten Energie und strichen sechsstellige Beträge ein. Erst im vergangenen Jahr wurde das desaströse System gestoppt, die Kosten dürften bei mindestens 460 Millionen Euro liegen.

Ob der Subventionsskandal, dessen gründliche Aufklärung die ländlich geprägte DUP bisher verweigerte, bei der städtischen Mittelschicht für Wahlenthaltung oder gar für Oppositionsstimmen sorgt? Der Vorsitzende der kleineren Unionistenpartei UUP, Michael Nesbitt, beklagte im Wahlkampf die an Korruption grenzende "Inkompetenz und Arroganz" der Regierung. Schlagzeilen machte Nesbitts Bitte an seine Wähler, als zweite Präferenz nicht wie bisher üblich die DUP, sondern die kleinere Katholikenpartei SDLP zu wählen. Im komplizierten nordirischen Wahlsystem ist das wichtig: Wähler kreuzen die Kandidaten nicht an, sondern reihen sie auf einer Liste auf.

Dennoch: Wenn keine Sensation passiert, werden am Freitagmorgen DUP und SF wieder die stärksten Vertreter der jeweiligen Blöcke sein. Und was dann? Der letzten TV-Debatte des Wahlkampfes nach zu urteilen sind sich auch die neue SF-Chefin und Foster, 46, wenig sympathisch.

Als O'Neill, 40, die amtierende Ministerpräsidentin unterbrechen wollte, schnarrte Foster: "Wie wäre es mit ein wenig Respekt, Michelle?" Deren eisige Anspielung auf den unaufgeklärten Finanzskandal folgte auf dem Fuß: "Wie wäre es denn mit ein wenig Respekt für die Öffentlichkeit, Arlene?" (Sebastian Borger, 2.3.2017)