Na bitte, er kann es ja doch! Donald Trump hat es geschafft, sich erstmals so etwas wie ein "präsidiales" Format zu geben und auf jene für ihn typische Rhetorik zu verzichten, die stets so anmutet, als befinde er sich noch immer im brutalsten aller Wahlkämpfe. Er scheint auch begriffen zu haben, dass Präsidentenamt und Kandidatenstatus zwei Dinge sind; zwei Jobs, die zwei unterschiedliche Verhaltensmuster und Strategien nötig machen. Und er dürfte beherzigt haben – zumindest für diese eine Stunde, die seine erste Rede vor dem US-Kongress dauerte -, dass Regieren behutsame Inklusion statt harter Konfrontation nötig macht.

Und so hörte man – überraschend, denn man war bisher vor allem Frontalangriffe und Untergriffe gewöhnt – Ausführungen und Ankündigungen, die von Balance und Besonnenheit getragen waren. Da beschwor der Präsident etwas, was die Vereinigten Staaten von Amerika eigentlich seit Jahr und Tag im Namen führen: das Zusammenstehen, die Einigkeit. Außerdem verzichtete er auf seine Attacken auf die Medien, seine erklärten Feinde. Stattdessen prangerte er Hassverbrechen gegen Minderheiten an, etwa den rassistisch motivierten Angriff auf zwei Inder in Kansas und Vandalismusakte auf jüdischen Friedhöfen in Missouri und Pennsylvania.

"Der Präsident"

Als sich Trump dann an die im Saal anwesende Witwe eines US-Soldaten wandte und ihr im Namen der USA für das "Opfer" dankte, das dieser durch seinen Einsatz im Kampf gegen den Terrorismus geleistet habe, dürfte ein großer Teil der Nation auf Trumps Seite gewesen sein; da war er plötzlich wirklich "der Präsident"; da störte es nicht einmal hartgesottene Trump-Kritiker unter den TV-Moderatoren, dass die Fernsehregie geradezu voyeuristisch-obszön minutenlang die Tränen der Witwe in Großaufnahme zeigte. Da war er: der Präsident, der Vater, der Gütige.

Doch hat sich der 45. US-Präsident nun wirklich dauerhaft auf die Bedeutung und Tragweite seines Amtes eingestellt? Es ist zu befürchten: nein. Zwar hat es Trump offenbar gelernt, seine Botschaft in gefälligere Worte zu kleiden (Applaus für den Redenschreiber!), doch in keinem Moment hat er zu erkennen gegeben, dass er die Sorgen seiner Kritiker tatsächlich ernst nehmen würde; bei keiner Position ist er abgerückt von seinen Vorhaben und Vorgaben. Kratzt man erst einmal an der Oberfläche, so sieht man: Trump bleibt Trump.

Komplizierte Gesundheitsreform

So denkt er nicht im Traum daran, die massive Erhöhung der Militärausgaben doch noch zu überdenken, um vielleicht nicht nur die Großverdiener, sondern auch den Mittelstand und vor allem die Ärmsten zu entlasten. So will er auch nicht seine energie- und klimapolitischen Pläne revidieren, die nichts anderes bedeuten als die Prolongierung von Raubbau an der Natur. Aber gut: Immerhin hat er erkannt, dass die Reform der Gesundheitspolitik doch wesentlich komplizierter ist als gedacht.

Zwischen Anhängern und Kritikern Trumps hat sich in der Sache nichts geändert. Es bleibt zu befürchten, dass diese Rede zur Lage der Nation bloß als seltener Moment in Erinnerung bleiben wird, in dem Trump jener präsidiale Tonfall gelungen ist, den man sich schon von der Antrittsrede am 20. Jänner, vor 40 Tagen, erwartet hatte. Auch wenn Trump selbst verkündet hat, dass "die Zeit trivialer Streitigkeiten beendet" sei, darf man sicher sein: Der nächste Tweet kommt bestimmt – und damit der nächste Eklat. (Gianluca Wallisch, 1.3.2017)