Das Sicherheitsgefühl der Österreicher sei erodiert, sagt Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP).

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Wien – Der Hausherr hat sich starken Rückhalt geholt. Von Spitzenbeamten und Polizeidirektoren – 17 Männer, eine Frau – lässt sich Wolfgang Sobotka flankieren, und aus dem Vollen schöpft er auch rhetorisch: "Österreich muss das sicherste Land sein, mit der höchsten Lebensqualität."

Wie das zu schaffen sei, hält der Innenminister von der ÖVP in einer neuen "Sicherheitsdoktrin" fest. Doch nicht alles, was in dieser Handlungsanleitung steht, ist in der Regierung unumstritten.

Zwecks "Drosselung" der Migration etwa pocht Sobotka trotz Widerstandes der SPÖ auf die Verankerung einer auf 17.500 halbierten Obergrenze für Asylwerber in der Verfassung. Neben der "Unterbrechung irregulärer Migrationsrouten" und die "Durchsetzung von Rückkehrverpflichtungen" plant er beim Reizthema Nummer eins auch eine atmosphärische Initiative: Sobotka will eine EU-weite "Religionsdiskussion" über den Islam anstoßen.

Eine andere Forderung ist nur grundsätzlich vereinbart: Damit die Regierung in Krisensituationen wie dem Flüchtlingsandrang 2015 rasch entscheiden kann, soll sie künftig ein Sicherheitskabinett unter Vorsitz des Kanzlers einberufen können. Doch bei den Details hakt es. Das rote Verteidigungsministerium wolle bei der Gelegenheit neue Kompetenzen, etwa für das Rettungswesen und Cyberkriminalitätsbekämpfung, an sich ziehen, heißt es aus dem Innenministerium. Für die ÖVP-Seite kommt das nicht infrage.

Ein Bundesgesetz für Cybersicherheit und eine "Hightech-Crime-Einheit" hat Sobotka ebenso auf die Wunschliste gesetzt wie strengere Strafe für sexuelle Belästigung in Gruppen. Außerdem will der Ressortchef "eine Kultur des Hinschauens" etablieren und sein Projekt "Gemeinsam sicher", das etwa freiwillige "Sicherheitsbürger" in den Gemeinden vorsieht, flächendeckend ausbauen.

Beobachtete Bürger

Apropos Hinschauen: Mehr Überwachung ist ein zentraler Punkt in Sobotkas Visionen. Bei "Gefährdungslagen" sollen öffentliche Betreiber zur Herausgabe von Videoaufzeichnungen verpflichtet werden, falls technisch möglich will die Behörde die Aufnahmen von Asfinag, ÖBB und Co. per Stream live mitverfolgen.

Was dahinter steckt? Nichts weniger als "ein Dammbruch", sagt Georg Markus Kainz vom Datenschutzverein Quintessenz. Konnten Ermittler bisher Aufnahmen anfordern, wenn ein Verbrechen vorlag, wolle die Polizei nun dabei zusehen können, wie eventuell eine Gefährdung entsteht – womit permanent Unbeteiligte ins Visier kämen. Dies widerspreche dem Menschenrecht, "sich unbeobachtet bewegen zu können", sagt Kainz: Die Freiheit werde bereits dann eingeschränkt, wenn sich die Bürger vom Staat beobachtet fühlen.

Flüchtlingsandrang und konstant hohe Arbeitslosigkeit hätten das Sicherheitsgefühl erodieren lassen, argumentiert Sobotka: So gut Österreich im internationalen Vergleich auch liege, hätten bereits 25 Prozent der Bevölkerung Sorge um die Sicherheit im Land.

Laut Anzeigenstatistik lag die Kriminalität 2015 allerdings auf einem Tiefststand. Demnächst werden die Zahlen für 2016 veröffentlicht. Dem Vernehmen nach soll es einen Anstieg gegeben haben, der sich um die drei Prozent bewegt. (Gerald John, 2.3.2017)