Stuttgart – Die Stadt Gaggenau hat einen Wahlkampfauftritt des türkischen Justizministers Bekir Bozdağ untersagt. Das wurde am Nachmittag auf der Website des baden-württembergischen Ortes mitgeteilt. Die Halle, die Parkplätze und die Zufahrten reichten für den erwarteten Besucherandrang nicht aus, begründete die Stadt die Entscheidung und widerrief deshalb die Zulassung. Bozdağ wollte am Donnerstagabend in der Festhalle der Stadt für das Referendum des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan werben.

Aufgrund der durch den kurzfristig angekündigten Besuch überregional bekanntgewordenen Veranstaltung rechnete die Stadt mit einem großen Besucherandrang, für den die angemietete Festhalle Bad Rotenfels, die dortigen Parkplätze und auch die Zufahrten nicht ausreichen würden. Aus diesen Gründen werde die Zulassung zur Überlassung der Festhalle an die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) von der Stadt Gaggenau widerrufen, hieß es weiter.

Ob die Veranstaltung an einem anderen Ort durchgeführt wird, war der Stadtverwaltung nach eigenen Angaben nicht bekannt.

Kein Saal für türkischen Wirtschaftsminister in Köln

Der Saal, in dem offensichtlich der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi am Sonntag in Köln eine Wahlkampfrede halten wollte, steht nach Auskunft der Domstadt nicht zur Verfügung. "Der Auftritt kann und wird dort nicht stattfinden", sagte eine Sprecherin der Stadt Köln am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP. Unklar war, ob Zeybekçi in andere Räumlichkeiten ausweichen könnte.

Laut dem Kalender des Koordinationszentrums für die Auslandswähler der türkischen Regierungspartei AKP wollte Zeybekçi am Sonntagabend in Köln auftreten und dabei für die umstrittene Verfassungsreform in der Türkei werben, mit der die Befugnisse von Präsident Recep Tayyip Erdoğan massiv gestärkt werden sollen. Mit der Stadt Köln war dies nach deren Angaben nicht abgestimmt.

Theaterveranstaltung

Einer Sprecherin der Stadt zufolge hatte die Erdoğan-nahe Union Europäisch-Türkischer Demokraten vor Monaten eine unverbindliche Vorreservierung für einen Saal im Bezirksrathaus Köln-Porz für eine Theaterveranstaltung gemacht, sich danach aber nicht mehr gemeldet. An diesem Mittwoch habe die UETD dann mitgeteilt, dass dort nun eine "Informationsveranstaltung" stattfinden solle. Dafür werde die Stadt den Saal aber "nicht aufmachen", zumal notwendige Sicherheitsvorkehrungen so kurzfristig schwierig seien, sagte die Sprecherin.

Deutscher Außenminister will keine türkischen Wahlkampfauftritte

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat sich reine Wahlkampf-Reisen türkischer Minister nach Deutschland verbeten. Er erwarte, dass Gäste aus der Türkei "nicht nur zu Wahlkampfveranstaltungen fahren, sondern sich dann auch dem Gespräch beispielsweise mit dem Justizminister oder dem Wirtschaftsminister oder dem Außenminister oder mit wem auch immer stellen", sagte Gabriel.

Dies habe das Auswärtige Amt am Donnerstag auch noch einmal dem Botschafter der Türkei gegenüber klargemacht. "Denn wir müssen dieses Problem schnellstmöglich klären. Der Schaden, der dort derzeit existiert, ist außerordentlich groß", erklärte der Minister am Donnerstag bei einem Besuch in Kiew.

Linkspartei forderte Verbot

Die Linkspartei hat zuvor die deutsche Regierung und die baden-württembergische Landesregierung zum Verbot einer Veranstaltung mit Bozdağ aufgerufen. "Die Bundesregierung muss unmissverständlich klarmachen, dass in Deutschland nicht Stimmung für die Einrichtung einer Diktatur gemacht werden darf", so der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger.

"Der türkische Despot führt die Bundesregierung am Nasenring durch die Manege", kritisierte Riexinger. Auch die schwarz-grüne Landesregierung in Stuttgart müsse sich deshalb dafür einsetzen, dass die "nächste Werbeshow" für Erdoğan nicht stattfinde. Die Landesregierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht allerdings den Bund als zuständig für den Besuch des türkischen Ministers an.

Der türkische Minister habe sich jede Kritik an der Inhaftierung des deutsch-türkischen Korrespondenten Deniz Yücel verbeten und betont, die Türkei sei ein demokratischer Rechtsstaat, sagte Riexinger. "Diese Aussagen sind angesichts der tausenden Opfer der Willkür Erdoğans, der die Säuberungen des Staatsapparats, den Krieg gegen die eigene Bevölkerung und die Aushebelung der politischen Opposition, der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit mit unverminderter Härte fortsetzt, dreister Zynismus."

Angespannte Beziehungen

Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sind nicht nur wegen der Inhaftierung Yücels angespannt, sondern auch wegen der geplanten Verfassungsreform in der Türkei. Dadurch sollen die Kompetenzen des türkischen Präsidenten massiv ausgeweitet werden. Kritiker werfen Erdoğan vor, die demokratische Gewaltenteilung zu unterlaufen und ein autokratisches System errichten zu wollen.

Auch in Österreich sorgte die Ankündigung des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım, Erdoğan wolle nach Europa kommen, um für das Präsidialsystem zu werben, für Aufregung – wenngleich es bisher keine konkreten Angaben zu möglichen Stationen des Besuches gibt. (APA, 2.3.2017)