In Zeiten wie diesen gerät schnell in Vergessenheit, dass die Vereinigten Staaten von Amerika viele Jahrzehnte hindurch Hilfesuchenden, Flüchtlingen, Glücksrittern und vielen Menschen, die in dem ach so fernen Land einfach eine neue Existenz aufbauen wollten, einen sicheren Hafen boten. Aus aller Welt kamen die Menschen, suchten Einlass ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, und die USA erhörten ihre Rufe. Iren kamen bereits Mitte des 19. Jahrhunderts, um die Hungersnot im eigenen Land – ausgelöst durch die heimtückische Kartoffelfäule – hinter sich zulassen, jüdische Familien entgingen mit der Flucht über das große Meer dem sicheren Tod durch den nationalsozialistischen Wahnsinn. Doch auch viele andere, nicht direkt vom Tode bedrohte Menschen aus aller Herren Länder, suchten in den Staaten ihr Glück zu finden.

Und als Synonym für die Einwanderungspolitik der USA steht auch heute noch der Name einer kleinen Insel im Hafen von New York: Ellis Island. Das Eiland in Sichtweite von Liberty Island, auf der die Freiheitsstatue Ankommende willkommen heißt, war lange Zeit Sitz der Einwanderungsbehörde. Bis 1954 reisten Immigranten über die Insel in die Staaten ein, durchliefen hier die Feststellung persönlicher Daten, wurden registriert und medizinischen Checks unterzogen. 

Ellis Island.
Foto: C.Highsmith/Library of Congress [cc;1.0; by]

Die Vielfalt der Nationen, die hier auf engstem Raum aufeinander traf, war fürwahr beeindruckend. Und auch einer der Beamten der Einwanderungsbehörde, der auf der Insel im Einsatz war, zeigte sich fasziniert von den Menschen, die hier tagtäglich ankamen. Der Beamte, der für die Registrierung der Ankommenden zuständig war, hieß Augustus Frederick Sherman und seine Leidenschaft galt der Fotografie.

Durch seine Tätigkeit hatte er Zugang zu den Ankömmlingen, die in den USA ein neues Leben beginnen wollten. Er fand Kontakt zu den Menschen die einwilligten, ihm für Porträts zur Verfügung zu stehen. Sie traten vor Shermans Kamera, viele von ihnen ganz offensichtlich in den besten Kleidern, die sie aus der Heimat mitgebracht hatten. Die berührenden Porträts zeigen Menschen in Trachten, die stolz präsentiert werden, aber auch Frauen, Männer, Kinder, die zweifelnd, skeptisch, mit ernstem Gesicht in die Kamera und in die Zukunft blicken.

Drei Frauen aus Guadeloupe, die auf die Weiterfahrt nach Montreal, Kanada, warten.
Foto: Sherman/New York Public Library [cc;1.0; by]
Albanischer Soldat.
Foto: Sherman/New York Public Library [cc;1.0; by]
Blinder Passagier aus Deutschland.
Foto: Sherman/New York Public Library [cc;1.0; by]
Frau aus den Niederlanden.
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Griechischer Soldat.
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Kinder aus Lappland, Schweden.
Foto: Sherman/New York Public Library [cc;1.0; by]
Rumänischer Schafhirte.
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Frau aus Ruthenien (Ukraine/Weißrussland).
Foto: Sherman/New York Public Library [cc;1.0; by]
Mann aus Bayern.
Foto: Sherman/New York Public Library [cc;1.0; by]
Mädchen aus Rattvik, Schweden.
Foto: Sherman/New York Public Library [cc;1.0; by]
Italienerin.
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Rumänischer Flötenspieler.
Foto: Sherman/New York Public Library [cc;1.0; by]
Frau aus Guadeloupe.
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Mann aus Dänemark.
Foto: Sherman/New York Public Library [cc;1.0; by]
LibraryOfCongress

Das Video oben zeigt die Ankunft von Immigranten auf Ellis Island im Jahr 1903.

Wenn man in die Augen all dieser Menschen aus den verschiedensten Nationen blickt, ertappt man sich unwillkürlich bei der Überlegung, was wohl aus ihnen geworden sein mag. Haben sie in den Staaten den Neubeginn geschafft? Haben sie mit ihrer Reise nach Amerika tatsächlich das gelobte Land erreicht, den amerikanischen Traum zu einem glücklichen Ende geträumt? Oder sind sie gescheitert, nie wirklich in dem fremden Land angekommen, vielleicht nach Jahren verbittert in die alte Heimat zurückgekehrt? (Kurt Tutschek, 8.3.2017)

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