Wien – Zwei Gemeinden in Niederösterreich, die beinahe nahtlos ineinander übergehen: Die eine regiert ein roter Bürgermeister, die andere ein schwarzer. Jeder der beiden nennt stolz ein Fachmarktzentrum sein eigen. An Kreisverkehren an zwei Ortsrändern fressen sich parallel Betonschachteln und Parkplätze in die grüne Wiese. Auf ein Einkaufsareal quasi in der Mitte konnten sich die beiden Gemeindechefs nie einigen. Einer hätte dann vermutlich auf Steuereinnahmen verzichten müssen.
Sie haben den optischen Charme eines Besenkammerls, sind jedoch Liebkinder der Ortskaiser – vorausgesetzt natürlich, sie wurden einem nicht von der Nachbargemeinde vor die Nase gesetzt, um in fremdem Revier zu wildern. Die weitgehend wild und willkürlich aus dem Boden gestampften Fachmärkte wachsen in Österreich zulasten der Innenstädte weiter. Vom vielzitierten Sterben stationärer Geschäfte aufgrund der Konkurrenz durch Onlineriesen ist an der Peripherie nichts zu sehen.
Dreimal mehr Fachmärkte
Die Fläche der sogenannten Big-Box-Gebiete hat sich seit der Jahrtausendwende auf 5,2 Millionen Quadratmeter verdoppelt, erhob der Berater Standort+Markt in einer aktuellen Studie. Mit 4200 Shops hat sich die Zahl der Fachmärkte zugleich verdreifacht.
Raus aus den Ortskernen hin zu den Kreisverkehren an den Ausfahrten drängten vor allem Supermärkte und Drogeriemarktketten. Sie sorgen mit Produkten des täglichen Bedarfs bereits für mehr als 36 Prozent des Umsatzes der Fachmarktgebiete. "Diese sind die neuen Nahversorger – einbetoniert für die nächsten zehn bis 20 Jahre", resümiert Hannes Lindner.
Unbelebte Stadtkerne
Für den Standort+Markt-Chef haben viele Bürgermeister damit die Chance vergeben, Stadtzentren wieder zu beleben. Ihr wichtigstes Ziel müsse es sein, Lebensmittelketten zentral zu halten. Gelinge das nicht, sei die Frequenzverlagerung nicht aufzuhalten.
Die Größe der Shops an der Peripherie sei im Schnitt in den vergangenen Jahren gesunken, was in der Folge zu mehr, aber kleineren Fachmarktformaten führte. Kennt man eines, kennt man alle: Einzelkämpfer sind Mangelware, bis zu 96 Prozent der Flächen halten große Handelsketten besetzt.
Wachstumssieger Obi
Mehr Raum rund um Kreisverkehre beansprucht etwa Billa. Expandiert sind dort auch Pagro, Tedi, Müller, Fressnapf und Futterhaus. Wachstumssieger, genährt durch die Übernahme ehemaliger Baumax-Standorte, war Obi. Matratzen Concord ließ sich in Betten-Max-Shops nieder. Reno und Vögele Shoes machten Platz für die Schuhhändler CCC und MyShoes. Intersport ersetzte Sports Direct. Rasant am Vormarsch sind Sportwettenanbieter: Mit 100 gibt es um 40 mehr als vor zwei Jahren.
Bürgermeister seien leicht beeinflussbar, widerstünden schwer den Verlockungen der Investoren, sagen Marktkenner. Handelsverbandspräsident Stephan Mayer-Heinisch macht vor allem uneinheitliche Raumordnung für Wildwuchs verantwortlich. "Sie gehört nicht nur individuellen Gemeindeinteressen überlassen." Überregionaler Steuerausgleich sei sträflich vernachlässigt worden. (Verena Kainrath, 3.3.2017)