Arbeitnehmer über 50 haben es in Zukunft leichter, die knapp darunter nicht.

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Der Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer wird ab Sommer 2017 gelockert. Das im Arbeitsprogramm der Bundesregierung festgelegte Vorhaben wurde am Donnerstag im Nationalrat mit der Novelle des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) beschlossen. Geändert wurde nur ein Satz, und davon nur die Hälfte. Die Folgen werden aber beträchtlich sein. Wer sich mit den Details befasst, stellt fest: Nicht der Kündigungsschutz als Ganzes wird gelockert, vielmehr kommt eine Zweiklassengesellschaft.

§ 105 ArbVG regelt unter anderem das Recht von Arbeitnehmern, ihre Kündigung wegen Sozialwidrigkeit bei Gericht anzufechten. Ziel: die Wiedereinstellung samt Nachzahlung des zwischenzeitigen Einkommensverlusts. Geschützt werden Personen in Betrieben ab fünf Arbeitnehmern, die die Kündigung besonders hart trifft. Nicht selten wird das Verfahren genützt, um einen Golden Handshake in Vergleichsform zu erlangen.

Lange Betriebszugehörigkeit

Besonders gute Aussichten haben die Klagen älterer Mitarbeiter, die schon länger im Betrieb sind: Absatz 3b des § 105 ArbVG ordnet an, dass ihre lange Betriebszugehörigkeit und ihre Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche besonders zu berücksichtigen sind. Da muss ein Arbeitgeber schon triftige betriebliche oder in der Person des zu Kündigenden liegende Gründe haben, um eine solche Klage abzuwehren.

Paradox, aber wahr: Unternehmen X muss seinen älteren Arbeitnehmer behalten, weil alle anderen Unternehmen ihn nicht mehr (in der Regel altersdiskriminierend!) wollen. So sieht es das ArbVG seit Jahrzehnten vor. In der Praxis sind Anfechtungsverfahren wegen Sozialwidrigkeit häufig, Tendenz steigend, Alter der Kläger sinkend: Es ist eine Folge des Arbeitsmarktes, dass auch 45-Jährige klagen und durchaus Erfolg haben können.

Altersbedingte Schlechterstellung

Freilich macht das ältere Arbeitnehmer für Unternehmer nicht gerade attraktiv. Darauf hat man mit dem Budgetbegleitgesetz 2003 reagiert: Wer ältere Arbeitnehmer einstellt, soll sich nicht fürchten müssen, sie "nie mehr loszuwerden". Für sie gilt daher zwei Jahre lang ein schwächerer Kündigungsschutz. Die sachliche Rechtfertigung dieser altersbedingten Schlechterstellung sei dahingestellt. Ficht ein solcher Mitarbeiter seine Kündigung an, müssen seine schlechten Jobaussichten ausgeblendet werden, ein solches Verfahren gewinnt der Arbeitgeber somit deutlich leichter. Übersteht diese Person die ersten zwei Jahre im Betrieb, gilt aber auch für sie der volle Kündigungsschutz.

Zweijahresfrist soll fallen

Diese Zweijahresfrist soll nun – für ab 1. 7. 2017 geschlossene Verträge – fallen: Wer eine Person 50+ einstellt, braucht eine Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit kaum mehr zu fürchten, auch nicht nach zwei Jahren der Zusammenarbeit. Die drohende Langzeitarbeitslosigkeit – nach dem Wortlaut der Novelle wohl auch die lange Betriebszugehörigkeit – sind zu ignorieren; ihr Kündigungsschutz ist also so schwach wie der eines 20-Jährigen.

Damit will die Novelle das Insider/Outsider-Problem am Arbeitsmarkt aufweichen: Der derzeitige Kündigungsschutz nützt jenen, die einen Job haben (sie können ihn mit fortgeschrittenem Alter schwer verlieren), schadet aber jenen, die auf Jobsuche sind (kaum jemand traut sich, sie einzustellen). Zukünftig sollen hingegen jene, die in einem Unternehmen altern, wie bisher vollen Schutz genießen. Die älteren Arbeitslosen werden hingegen auf den ersten Blick schlechtergestellt (sie sollen den Schutz auch im dritten Beschäftigungsjahr nicht erlangen), gewinnen damit aber die Chance, überhaupt wieder einen Job zu finden.

Alter der Arbeitslosen wird sich verschieben

Tatsächlich wird die Novelle aber dazu führen, dass sich das Alter der Arbeitslosen in beide Richtungen verschiebt:

Wer mit 50 oder älter ins Unternehmen kommt, wird – wie ja beabsichtigt – willkommen sein, er genießt nur den auf geweichten Kündigungsschutz. Bewirbt sich aber jemand Ende 40, muss er schon sehr überzeugen, um den bereits 50-Jährigen auszustechen, ist er doch aufgrund des Einstellungsalters zukünftig deutlich schwerer zu kündigen. Etabliert sich diese Erkenntnis in den Köpfen der Personaler, müssen es sich die nächsten Generationen zum Ziel setzen, möglichst in dem Job zu verharren, den sie Mitte 40 haben. Zu unattraktiv ist man als Arbeitnehmer in den Jahren vor dem 50. Geburtstag.

Umgekehrt wird es mehr Arbeitslose geben, die kurz vor der Pension stehen: Wer mit 50+ angestellt wurde, kann auch ein Jahr vor der Alterspension noch gekündigt werden. Dass eine 59-Jährige mit Pensionsantrittsalter 60 kaum mehr einen neuen Job findet, wird hingenommen. Nach aktueller Rechtslage ist eine der artige Kündigung nahezu unmöglich.

Hohe Bezahlung wird ignoriert

Betrachtet man vor den beschlossenen Änderungen zukünftige Belegschaften, zeichnet sich somit eine Zweiklassengesellschaft ab: Von zwei 62-jährigen Männern kann der eine leicht gekündigt werden (der mit 51 eintrat), der andere hingegen kaum (weil er mit 49 begann). Wer die Gesetzesänderung zu Ende denkt, wird diese Folge nicht billigen können.

Ganz grundsätzlich greift die Novelle zu kurz, indem sie den Grund für Altersarbeitslosigkeit ausschließlich im Kündigungsschutz ortet. Damit übersieht sie, dass fortgeschrittenes Alter nach zahlreichen Kollektivverträgen hohe Bezahlung bedeutet. Auch das schadet Langzeitarbeitslosen, die möglicherweise lieber etwas weniger verdienen, als noch länger ohne Arbeit zu bleiben. Hier könnten staatliche Zuschüsse helfen (will man am Senioritätsprinzip der Kollektivverträge nicht rütteln.)

Statt nur auf das Lebensalter abzustellen, könnte eine Novelle das Anfechtungsrecht an eine Kombination aus Betriebszugehörigkeit und Alter knüpfen: Wer jung, aber lange betriebszugehörig ist, ist ähnlich kündigungsgeschützt wie ein Älterer, der erst kurz dabei ist. Alternativ könnte man kleinere Unternehmen (ähnlich der Elternteilzeit) vom Kündigungsschutz ausnehmen.

Es ist bedauerlich, dass die hier angerissenen Langzeitfolgen nicht rechtzeitig untersucht wurden und ein Gesetz, das nicht zu Ende gedacht ist, im Schnelldurchgang durch das Parlament geboxt wurde. (Kristina Silberbauer, 3.3.2017)