STANDARD: Nach dem Lesen des Drehbuchs der neuen Staffel von "Schnell ermittelt" verschlug es Ihnen die Sprache, sagten Sie neulich. Was war passiert?

Strauss: Ich darf nicht viel erzählen, aber mich hat das sehr getroffen. Bis dahin bekamen wir die Bücher immer vor dem Dreh und konnten sie bearbeiten. Das passiert bei uns in Stufen. Am Set kommt die nächste Ebene dazu. Darüber bin ich sehr glücklich, denn wenn wir nicht so genau daran arbeiten würden, könnte ich nicht so lange mit einem Projekt gehen. Diese zehnte Folge haben sie uns aber bis zum Schluss nicht gegeben – weil es in dieser Staffel darum geht, nicht zu wissen, was Sache ist. Als ich die erste Fassung bei der Leseprobe las, war ich wirklich angefressen.

Wegen der letzten Folge der neuen Staffel war Ursula Strauss "in einem Gewissenskonflikt – und bin es noch".
Foto: ORF / Pedro Domenigg

STANDARD: Weil Sie nicht wussten, wie umsetzen?

Strauss: Gar nicht so sehr. Ich war mehr in einem Gewissenskonflikt – und bin es noch.

STANDARD: Ist ja alles nicht echt. Trotzdem nimmt es Sie mit?

Strauss: Erstaunlich. Ich gehe generell intensiv in meine Rollen hinein. Bei den Leseproben ist die Fantasie schon auf einem Level. Dieses schauspielerische Ding arbeitet, der Kopf und das Herz lesen und hören mit. Man öffnet schön langsam ein Universum, geht einen Schritt durch eine Tür. Das ist beim Spielen genauso: Ich lasse mich fallen, obwohl ich die Kontrolle behalten muss. Es hat mich kalt erwischt. Ich war selbst irritiert darüber, dass es mich so hernimmt.

STANDARD: Angelika Schnell ermittelt seit zehn Jahren. Wie hat sie sich entwickelt?

Strauss: Schwer zu sagen, weil die Figur so viele Dimensionen hat. Weil sie ein ganzer Mensch sein darf. Weil sie privat und beruflich in der Situation sein darf, in der sie ist. Weil sich so viele Beziehungen aufgebaut haben. Die Figur bietet einer Schauspielerin so viel Gelegenheit, sich reinzubeißen. Es ist ein satter Stoff.

"Die Figur bietet einer Schauspielerin so viel Gelegenheit, sich reinzubeißen."
Foto: ORF / Pedro Domenigg

STANDARD: Hatten Sie Vorbilder?

Strauss: Eigentlich nicht. Ich spielte Angelika Schnell zu Beginn in einer großen Schüchternheit. Meine einzigen Filmerfahrungen hatte ich bis dahin beim Autorenfilm. Ich konnte die Bücher komplett auswendig, einfach weil ich keine Fehler machen wollte – und genau das war falsch: Es geht ja um einen Menschen, der Fehler macht, der nicht perfekt ist, der vielleicht manchmal schräg reagiert.

STANDARD: Wie sehr trägt die Figur Ihre Handschrift?

Strauss: Wir wurden von Anfang an dazu animiert, in den Leseproben unsere Figuren zu verteidigen. Das geht so weit, dass ein Drehplan geändert wird, weil wir so lange darüber diskutieren, ob eine Wendung richtig ist oder falsch. Katharina Schenk und die Autoren haben uns von Anfang an ernst genommen. Wir sind halt am nächsten an den Figuren dran.

STANDARD: Vor der Serie kommt der Film – worin besteht für Sie als Schauspielerin der Unterschied?

Strauss: Die Serie ist unverhältnismäßig anstrengender, weil über einen längeren Zeitraum mit starken Rhythmuswechseln die Kraft eingeteilt werden muss. Fantasie braucht schon einen ausgeschlafenen Geist. Wir versuchen permanent, hundertprozentig bei der Sache zu sein, weil es großen Spaß macht und weil es Gebührengelder sind, mit denen wir umgehen. Es ist kein Schlendrian, ich schätze das.

"Schnell ermittelt" ist in Dänemark ein großer Erfolg.
Foto: ORF / Pedro Domenigg

STANDARD: Ist "Schnell ermittelt" irgendwann auserzählt?

Strauss: Ja, aber mehr kann ich heute dazu noch nicht sagen.

STANDARD: "Schnell ermittelt" ist in Dänemark ein großer Erfolg. Haben Sie nie ein Angebot bekommen, dort zu spielen?

Strauss: Nein, leider nicht. Dänemark würde mir großen Spaß machen, ich habe auch Familie dort und fühle mich dem Land sehr verbunden. Aber ich müsste mich wahrscheinlich selbst darum bemühen, und bis jetzt habe ich die Zeit nicht dafür gefunden. Aber wer weiß.

Ursula Strauss ist "relativ wurscht, was so geplappert wird".
Foto: ORF / Pedro Domenigg

STANDARD: Im Moment geht beim österreichischen Fernsehfilm ohne Ursula Strauss offenbar gar nichts.

Strauss: Ja, das wird mir jetzt vorgeworfen.

STANDARD: Das sollte kein Vorwurf sein, aber was macht Sie zur Nummer eins beim ORF-Film?

Strauss: Mir sagt das ja keiner ins Gesicht. Ich mag meinen Beruf, und so ist das eben. Ich versuche mich auf die Inhalte zu konzentrieren, darauf, was sonst wichtig ist im Leben, und darauf, was gerade in der Welt passiert. So gesehen, ist es eh relativ wurscht, was so geplappert wird.

STANDARD: Was sagt der bekennende "Twin Peaks"-Fan zu den neuen Folgen ab Mai? Freuen Sie sich?

Strauss: Und wie! Ich schaue seit kurzem wieder die alten Folgen und bin voll reingekippt. Es hat nichts eingebüßt, fast jedes Bild ist ein Kunstwerk, einfach toll. (Doris Priesching, 5.3.2017)