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Intensive Töne: der US-Klarinettist David Krakauer.

Foto: Picturedesk / JAKUB KAMINSKI

Wien – Für die Zugabe kam David Krakauer unter Applaus einsam zurück und setzte zu einem Solo an, das noch einmal all jene Intensität des Tons entfaltete, die im Konzerthaus den filmisch geprägten Abend Big Picture dominiert hatte. Rasante Läufe, die bei Schmerztönen mit quirliger, vibratoartiger Würze Halt suchten; kurze, freudig gackernde Pointen und exaltierte Höhen von sanglicher Aura – alles dabei. Bis die Band wiederkam, ging Krakauer aber im Solo plötzlich noch weiter.

Als Könner der Zirkularatmung zelebriert er eine quasi unendliche Phrase (die Technik ermöglicht gleichzeitiges Spielen und Luftholen) und erreichte so Regionen des Ekstatischen, die ihn als jenen Jazzmusiker auswiesen, der einst mit Projekten wie Klezmer Madness neue Wege beschritt.

Krakauer steht aber auch für Identitätssuche. Bei der Neubefragung dessen, was er als seine jüdischen Wurzeln erkannte, wurde er jedoch nie zum dogmatischen Verfechter von Tradition. Er übertrug die ehrwürdigen Stilelemente in die Gegenwart – in einem Akt bewahrender Erneuerung, die auch bei Big Picture zu hören ist. Krakauer wählte Filme und Soundtracks, die ihn über die Jahre geprägt haben und deren jüdischer Aspekt ihn inspirierte.

Willkommen (aus dem Musical Cabaret, komponiert von John Kander) wird bei Krakauer denn auch zum Spiel mit geraden wie ungeraden Takten und Liedformen. Auf mitunter frei improvisierter Basis geht es weit über Klezmerklischees hinaus. Dennoch ist Tradition – im Tonfall Krakauers – präsent: Ist die flexible Band (mit Klavier, Geige, Gitarre, Bass und Schlagzeug) jederzeit befähigt, von rockiger Stilistik zum Jazz oder zu souligem Grooven zu wechseln, bleiben Krakauers Ton, dessen Art zu phrasieren und die Linienführung nahe an einem hochenergischen Gesang, dessen so druckvolle wie melancholische Wurzeln im Klezmer liegen.

Bei aller sanglichen Hitze – das Diskrete beherrscht Krakauer ebenso: Wie er die Melodie des Jazzklassikers Body & Soul hauchte (mit dem an Radio Days von Woody Allen erinnert wird), war große Klasse – eines sensiblen Instrumentalsängers mit emotionaler Tiefe.

Musik und filmischer Background fügten sich gut zu sinnvoller Ganzheit. Nur zwischendurch wirkte die Musik etwas gefällig im Verhältnis zu den bedrückenden Dokumentarbildern (etwa bei Love Theme aus Sophie's Choice). Am Ende schöner Applaus. (Ljubisa Tosic, 3.3.2017)