Ausgerechnet George W. Bush. Ausgerechnet der Ex-US-Präsident, der weltweit wohl zu den von den Medien am meisten kritisierten Menschen zählt, ritt diese Woche aus, um die Medien als unverzichtbaren Bestandteil der Demokratie gegen die Fake-News-Anwürfe seines Nachfolgers Donald Trump zu verteidigen. Bush: "Es ist wichtig, dass Medien Menschen zur Verantwortung ziehen, die ihre Macht missbrauchen – sei es hier oder anderswo."

Tatsächlich ist es so, dass nicht nur in den USA Menschen ihre Macht missbrauchen. In der Türkei beispielsweise macht Präsident Recep Tayyip Erdogan bei seiner Säuberungswelle zur Absicherung seiner Allmacht auch nicht vor Medien halt. Der deutsche Korrespondent Deniz Yücel ist nur einer von vielen kritischen Journalisten, die einfach weggesperrt wurden. Der Vorwurf: "Lügenberichte!"

Auch in Österreich greift der Fake-News-Wahn immer mehr um sich. Neue Maßstäbe im Kampf gegen die Medien setzt die FPÖ, die an allen Fronten – sei es über Aschermittwochsreden, Pressekonferenzen, Aussendungen, parteinahe und -ferne Hassportale oder Social Media – austeilt. Weil sie über Letztere schon mehr Personen erreicht als über traditionelle Medien, schießt sie sich nun auch auf die aufgrund ihrer Reichweite bisher dringend gebrauchte Kronen Zeitung ein. Zumindest auf einzelne Journalisten wie den Innenpolitikchef Claus Pándi, der sich von der Parteispitze über Facebook das Label "Dreckschleuder" gefallen lassen musste, nachdem er die Vormachtstellung von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hinterfragt hatte.

Fake News vs. Fehler

Man könnte nun meinen, das war schon immer so. Die FPÖ hat es aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte nicht anders gelernt. Allerdings haben sich die Anzahl der Angriffe und auch die Tonalität noch einmal verstärkt. Die "Fake-News-Welle" schwappt über das Land, vergiftet das Klima zwischen Politik und Medien und hat auch schon die Koalitionsparteien erreicht. Einer der traurigen Höhepunkte: Der Umgang der ÖVP mit dem Chefredakteur des Falter, Florian Klenk. Ihm wurden zur Berichterstattung über die Pröll-Stiftung "Fake News" und "Lüge" unterstellt. Auch der STANDARD wird mit derartigen Unterstellungen von einzelnen Politikern bzw. Sprechern, Lesern und Usern konfrontiert. Journalisten werden es weiterhin ertragen, von Politik und Lesern hart angefasst zu werden, dass aber schon Unangenehmes als Lüge bezeichnet wird, müssen sie sich nicht gefallen lassen.

Natürlich machen Medien auch Fehler, mit denen sie professionell und transparent umgehen müssen. Sie bekommen diese Fehler auch mehr denn je, direkter denn je, öfter denn je mitgeteilt, was den auf Qualität bedachten Journalismus sogar verbessert. Seriösen Medien generell zu unterstellen, dass sie bewusst lügen, ist aber ein Pauschalurteilsbumerang. Jene, die die Fake-News-Keule verteilen, legitimieren dadurch den Hass, der sich über soziale Netzwerke verbreitet und gegen welchen man mit Verhetzungsparagrafen vorzugehen versucht. Damit wird auch jene Kluft vertieft, vor der Politiker selbst warnen, und ein Klima des Misstrauens geschaffen, das nicht zuletzt auch den "Lügenpresse" schreienden Volksvertretern einst auf den Kopf fallen wird.

"Wir brauchen sie, um Leute wie mich zur Verantwortung zu ziehen", sagte George W. Bush zur Rolle der Medien. Ein weiser Satz. (Rainer Schüller, 4.3.2017)