Rund 550 Zuschauer lauschten am Sonntag im Burgtheater der Journalistin Alison Smale, dem Politologen Ivan Krastev, Regisseur Robert Dornhelm, STANDARD -Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid, dem republikanischen Trump-Kritiker Jim Kolbe und der Carnegie-Analystin Judy Dempsey (von links).

Foto: Robert Newald

Eigentlich hätte man sich alles auch schenken können. "Ich bin verwundert über die gescheiten Analysen. Ich glaube, dieser Mann verdient sie nicht. Er ist ein Scharlatan, dessen Worten man nicht trauen kann", befand Regisseur Robert Dornhelm zur Politik Donald Trumps. Dass es trotzdem sechs Wochen nach dessen Amtsantritt einiges zu analysieren gibt, bewiesen am Sonntag die Gäste der Diskussion Was ändert sich mit Trump?. Zur Veranstaltung, die Teil der Reihe "Europa im Diskurs" ist, hatten das Burgtheater, das Institut für die Wissenschaften vom Menschen, die Erste-Stiftung und Der STANDARD neben dem austroamerikanischen Regisseur den Politologen Ivan Krastev, die Chefkorrespondentin der New York Times in Berlin, Alison Smale, den Trump-kritischen Republikaner Jim Kolbe und die Analystin Judy Dempsey von der Carnegie-Stiftung geladen.

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Immerhin, versicherten alle Diskutanten der Moderatorin, STANDARD-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid, sei Trumps Wahl ohne Zweifel ein massiver Einschnitt. Politologe Krastev sah jedenfalls jene widerlegt, die sich nach dem Amtsantritt eine Annäherung Trumps an den Mainstream erwartet hatten. "Zum ersten Mal gibt es einen amerikanischen Präsidenten, der die Weltordnung nach 1989, die Amerika geschaffen hat, als Problem für das Interesse des Landes sieht."

"Manchmal muss man einfach nur hinhören"

NYT-Korrespondentin Smale machte die auffälligsten Änderungen seit dem 20. Jänner vor allem im Ton fest und verwies dabei auch auf die jüngsten Anschuldigungen Trumps gegen seinen Vorgänger Barack Obama: "Wir müssen jeden Morgen seine Tweets konsumieren. Aber das sind letzten Endes noch Stilfragen." Noch habe die Verfassung ihre Kraft nicht verloren, Richter und Abgeordnete würden nun genau hinschauen. Dennoch gebe es Anlass zur Sorge. "Manchmal muss man einfach nur hinhören."

Zwar wolle sie keine Vergleiche ziehen, doch sei sie selbst an die Zeit vor den Balkankriegen erinnert. "Die dortigen Regierungschefs haben genau gesagt, was sie machen werden. Nur hat ihnen kaum jemand geglaubt."

Gefahr für die Union

Als Beispiel dafür führte Analystin Dempsey dann Trumps Aussagen zur EU an, für die sie schwerwiegende Folgen erwartet: "Trump und (dessen rechter Berater Stephen, Anm.) Bannon glauben nicht an die EU, sondern an Nationalstaaten." Das sei einer jener Punkte, in denen sich Russlands Präsident Wladimir Putin und Trump einig seien: "Sie mögen beide die EU nicht." Das sei riskant für die Union, insbesondere zu einer Zeit, da diese selbst nicht genau wisse, wohin sie wolle. Bannon etwa habe dem deutschen Botschafter in Washington bereits einen bilateralen Handelsvertrag angeboten. Darin sieht auch Krastev eine Gefahr. Trump wolle den Lauf der Welt stören, denn in einer solchen Situation zähle dann nur noch die eigene Macht. "Die Botschaft, dass allein die Macht zählt, sollte kleinen EU-Staaten Sorgen machen. Denn das heißt, dass sie nichts zählen."

"Würde auch das demokratische System verkaufen"

In der Konzentration Trumps auf Macht sieht auch der Republikaner Kolbe, zwischen 1985 und 2007 Kongressabgeordneter aus Arizona, ein Problem. Trump glaube nicht an Werte, nur an Tauschhandel. "Wenn jemand Trump das demokratische US-System für drei Billionen Dollar abkaufen wollte, würde er es verkaufen. Dann wäre es im Privatbesitz irgendeines Käufers."

Allerdings, so Kolbe, habe Trump nur ein begrenztes Verständnis für den Handel selbst. "Er sieht nur den Austausch von Waren, bei dem die USA tatsächlich seit Jahrzehnten ein Defizit haben. Was er völlig aus den Augen verliert, ist, dass wir das mit Dienstleistung mehr als wettmachen." In diesem Zusammenhang sei auch Trumps Kritik an verschiedenen Freihandelsabkommen, etwa Nafta, zu sehen. Das wiederum versetzte die neue US-Regierung in einen Interessengegensatz mit Russland, merkte Krastev an, der bei Moskau-Besuchen Ernüchterung festgestellt haben will.

Mit Moskau über Kreuz

Zwar lehnten Trump und Putin die aktuelle internationale Ordnung ab, allerdings aus unterschiedlichen Gründen: Putin wolle im Bereich der Sicherheit Änderungen, was Trump sich nicht leisten könne angesichts der laufenden Verhandlungen zur Russland-Nähe zahlreicher Berater – und womöglich auch gar nicht wirklich wolle. Moskau hingegen sei gegen die von Trump angestrebten Änderungen im Bereich des Handels.

Auch Kolbe geht von Bruchlinien zwischen dem Kreml und dem Weißen Haus aus, Putin werde, wenn er von Trump einmal enttäuscht sei, diesen bald einmal testen – womöglich auf dem Balkan, wo sich mehrere Staaten, etwa Mazedonien, dafür anbieten.

Für diesen Fall müsse sich die EU wappnen, warnte Dempsey. Dafür brauche es auch ein schärferes Bild davon, was man eigentlich wolle: "Clinton hat nie gesagt, was sie wollte, sie war immer dagegen. Das war auch das Problem beim Brexit. Alexander Van der Bellen konnte in Österreich die Sache drehen, weil er plötzlich stark für Europa argumentierte. Das muss wieder geschehen. Und noch ein Problem gibt es mit Trump: Er hat das Potenzial, die Europäer antiamerikanisch zu machen. Dann fielen sie direkt in die Hand des Kreml."

System schon vor Trump beschädigt

Robert Dornhelm, der im Wahlkampf Clintons demokratischen Konkurrenten Bernie Sanders unterstützt hat, sieht dafür auch die Medien in der Pflicht. "Leben wir noch in der Demokratie in Amerika? Ich bezweifle es." Die Medien hätten bei der Wahl Trumps eine unrühmliche Rolle gespielt und dessen Erfolg durch ständige Berichte über neue Unverschämtheiten erst ermöglicht.

Auch Smale sieht Teile des Problems unabhängig von Trump. "Man kann ihn nicht abgetrennt sehen von allgemeiner Verunsicherung". Es gebe ein geändertes Verhältnis zur gesellschaftlichen Umwelt. Für diese Veränderung sei Trump nicht der Auslöser – "aber vielleicht ein Ausdruck".

Krastev sah ebenfalls einen größeren Trend: Es habe schon vor der Wahl Polarisierung gegeben. "Unser Verständnis dafür, wie die Demokratie und die internationale Ordnung funktionieren, ist in eine massive Krise gelangt. Und wir können weder Putin noch Trump dafür verantwortlich machen, dass wir dort angelangt sind." (Manuel Escher, 5.3.2017)