Das österreichische Gesundheitswesen sollte als Gesamtheit betrachtet werden. Überbordend komplizierte Reglementierungen und angepeilte Arzneimittelpreise unter dem EU-Durchschnitt gefährdeten das System. Dies sagt der Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, Max Wellan.

"Es kann nicht sein, dass manche glauben, sich das eine oder andere 'Filetstückchen' herausholen zu können, und das ohne Effekt auf das Gesamtsystem", sagt der Kammerpräsident. Er nennt zwei Beispiele: "Parallelimporte gefährden die Arzneimittelsicherheit. Es geht auch nicht, dass Drogeriemärkte die OTC-Präparate (rezeptfreie Arzneimittel, Anm.) verkaufen wollen und bei uns Apothekern dann die Beratung über die Wechselwirkungen bleibt." Bei den Parallelimporten geht es darum, dass Arzneimittel in Europa über Ländergrenzen hinweg verschoben werden, um von den unterschiedlichen nationalen Preisen zu profitieren.

Arzneimittelpreise kein Wachstumsmarkt

Deutliche Kritik äußert Wellan zu Preisregelungen für Arzneimittel, wie sie das Gesundheitsministerium nun offenbar für hochpreisige Medikamente (mehr als 700 Euro pro Packung) in einer Gesetzesinitiative durchsetzen will: "Man kann zwar sagen, es müssen die Preise fünf Prozent unter dem EU-Schnitt sein, aber das kann sich nicht ausgehen, wenn Österreich bei den Lohnkosten in der EU am dritten Platz liegt. Das wird nicht funktionieren."

Österreich sei weit von einer Kostenexplosion bei den Arzneimitteln entfernt. Der Kammerpräsident sagt: "Sicher kann man sich Gedanken über hochpreisige Arzneimittel machen. Aber die Arzneimittelpreise sind kein Wachstumsmarkt. Wir hatten 2016 einen Zuwachs (Umsatz mit auf Kassenrezept verschriebenen Medikamenten) von 2,6 Prozent." Das liege weit unter dem mit der Gesundheitsreform geplanten Limit von plus 3,6 Prozent pro Jahr. Wenn die Politik die Arzneimittelpreise auf ein nicht mehr tolerables Niveau drücke, sei mit "Durchschlagseffekten" auf die Apotheken zu rechnen. "Dann lebt die Forderung wieder auf, dass der Apotheken-Nachtdienst (von der öffentlichen Hand, Anm.) finanziert wird. Das geschieht in Deutschland ja auch."

Ohne einen entsprechenden Verdienst könnten die öffentlichen Apotheken ihren Service nicht aufrechterhalten. Außerdem könnten per Gesetz verordnete Preisreduktionen die Versorgungssicherheit gefährden. "Wir sehen das jetzt schon, wenn es bei dem einen oder anderen Arzneimittel zu Lieferschwierigkeiten kommt", sagt Wellan. Wenn das betroffene Pharmaunternehmen die Produktion wieder hochfahre, geschehe das zunächst für die lukrativsten Märkte – und dann erst für Österreich.

Finanzierung für Präventionsmaßnahmen gefordert

Derzeit verfassen Experten der London School of Economics mit österreichischer Beteiligung eine Studie zur Effizienz der österreichischen Krankenkassen. Wellan sagt dazu: "Bei den Arzneimitteln haben wir eine effiziente Verwaltung. Nicht funktioniert das bei den Verbandsstoffen." Da gebe es alle sechs Monate fast 150 Seiten dicke "Anlagen"-Bände mit kompliziertesten Regelungen für jedes einzelne Bundesland und jede Krankenversicherung. Vereinfachen könne man auch die Abwicklung der Versorgung von chronisch Lungen- oder Herzkranken mit Sauerstoff, indem das über die Apotheken organisiert und abgerechnet werde.

Wellan spricht sich dafür aus, die österreichischen Apotheker in Präventionsmaßnahmen einzubinden und das auch entsprechend zu honorieren. Alle bisherigen Präventionskampagnen der Apothekerschaft seien von diesen selbst finanziert worden. Im Jahr 2014 starteten die Apotheker auch ein großes Medikationsmanagementprogramm. Es soll durch eine strukturierte Beratung der Apothekenkunden zu einer Verbesserung der Anwendung von Arzneimitteln und zur Verhinderung von Wechsel- und Nebenwirkungen beitragen. "1.500 Apotheker haben schon die Ausbildung absolviert", sagt Wellan. (apa, 6.3.2017)