Wien/Schwechat – Wirtschaft, Politiker und Flughafen Wien sorgen sich, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gegen den Bau einer dritten Piste in Wien-Schwechat Konzerne abwandern lässt oder von Ansiedlungen im Großraum Wien abhält. Die Transportwirtschaft bangt um weitere große Verkehrsprojekte, die infrage gestellt werden könnten – allen voran Milliardenausbaupläne von Asfinag und Bahn.

Flughafen-Vorstand Günther Ofner sprach am Montag von einem Flächenbrand, der durch das Erkenntnis ausgelöst werde. Er habe Nachrichten, dass derzeit in ganz Österreich NGOs die Argumentation des aktuelle Erkenntnisses in Genehmigungsverfahren einbrächten. Behörden und Investoren seien verunsichert. Der Gesetzgeber müsse unbedingt Klarheit schaffen – selbst wenn ein neues Gesetz für den Pistenbau damit zu spät komme.

Verzögerungen bei vielen anderen Großbauvorhaben seien programmiert: "Österreich wird nicht damit leben können, dass es nun bei hunderten Genehmigungsverfahren noch drei bis fünf Jahre länger dauert", sagte Ofner bei einer Pressekonferenz mit den Transporteuren. Das treffe alle, die Umweltverträglichkeitsprüfungen brauchen.

Schaden für die Volkswirtschaft

Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich, machte auf die Schieneninfrastrukturbauvorhaben von ÖBB (16,4 Milliarden Euro) und Autobahn- und Schnellstraßeninvestitionen der Asfinag (7,8 Milliarden) aufmerksam, die bis 2022 anstünden. Gerichtliche Bauverbote schädigten die Volkswirtschaft und kosteten Jobs, warnte die Kammer. "Wir können uns nicht vorstellen, dass dieses Urteil aufrecht bleibt."

Der Flughafen wird bis 23. März außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof sowie Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof einlegen. "Würde das Urteil durch Höchstgerichte bestätigt, dann ist Feuer am Dach", fürchtet Ofner. Für Flughafenmanagement und Transportwirtschaft müssten Klimaziele Sache der Regierung sein und nicht Sache der Gerichte. Die Absage der dritten Piste als größtem Infrastrukturvorhaben Ostösterreichs löse jedenfalls über den Anlass hinaus "dramatischen Schaden" aus.

Es gehe auch um die Zukunft aller transportabhängigen Branchen. Allein die Hälfte des Exportwerts der niederösterreichischen Industrie gehe über Luftfracht außer Landes, das seien vier Milliarden Euro im Jahr. Viel Luftfracht werde in Passagiermaschinen transportiert. Das Aufkommen steige weiter. Kapazitätsbeschränkungen könnten heißen, dass sensible Produktionen Österreich verlassen – oder der Lkw-Verkehr weiter zu nimmt, sagte Ofner. Am Flughafen Wien ist das Cargo-Aufkommen im Jahr 2016 auf mehr als 282.700 Tonnen (rund 800 Tonnen pro Tag) angestiegen.

Beschwerden gegen das Urteil

In den bevorstehenden Beschwerden gegen das Urteil wollen die Flughafen-Manager jetzt auch mit dem "Überraschungsverbot" argumentieren, weil im Spruch Versagensgründe angeführt worden seien, auf die es davor nie Hinweise gegeben habe – etwa den Landverbrauch. Nach 17 Jahren argumentiere man, das Projekt wäre gar nicht genehmigungsfähig, nachdem 32 Gutachten keine Einwände hatten.

Unter den Beschwerdeführern gegen die Piste im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgerichts war neben Bürgerinitiativen und Privatpersonen auch die Stadt Wien. Die Stadt Wien ist Kernaktionär am Flughafen Wien. Die Wiener Beschwerde gegen die Piste wurde mit dem so genannten "Minimierungsgebot" begründet, laut Ofner im Zusammenhang mit den Flugrouten. Die Frage der Flugrouten habe den Bescheid nicht beeinflusst, sagt Ofner, weil sie gar nicht behandelt worden sei. Wien habe sich nicht gegen das Projekt gestellt. (APA, 6.3.2017)