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Galt manchen seiner Landsleute als Störenfried: Literaturnobelpreisträger Sinclair Lewis.

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Sinclair Lewis, "Das ist bei uns nicht möglich", Aufbau-Verlag, 448 Seiten, € 24,70 (erscheint am 21. März 2017).

cover: aufbau

Wien – Vor 80 Jahren erschien in den USA der Roman It Can't Happen Here (Das ist bei uns nicht möglich) von Sinclair Lewis, der 1930 als erster Amerikaner mit dem Literaturnobelpreis geehrt wurde. Es war sein 15. Buch, vom Autor bewusst als eine politische Aussage konzipiert, als eine Warnung an seine Landsleute. Er war einer derjenigen, die Rassismus, Chauvinismus und Bigotterie in der Gesellschaft scharfsichtig beschrieben.

Lewis erzählt in diesem Roman, wie 1934/35 eine Protestbewegung entsteht, deren "Führer" Berzellius "Buzz" Windrip, ein ziemlich unterbelichteter Senator aus der Provinz, bei der Präsidentschaftswahl 1936 Amtsinhaber Franklin D. Roosevelt besiegt. Reales Vorbild war der Senator von Louisiana, Huey Long, der im ganzen Süden über eine riesige Anhängerschaft verfügte und im September 1935 einem Attentat zum Opfer fiel. Sein Wiedergänger Windrip im Roman baut Amerika in kurzer Zeit zu einem faschistischen Staat nach dem Vorbild von Hitler-Deutschland um.

Der Kongress wird entmachtet, die Presse mundtot gemacht, Kritiker verschwinden im Konzentrationslager. Lewis entwarf mit diesem Roman eine Dystopie mit zum Teil satirischen oder ironischen Verfremdungen, die man heute erst weitgehend versteht, wenn man sich auf die historische Bezugsebene begibt. Im Unterschied zu faschistischen Diktatoren im Europa jener Jahre stilisiert sich der neue Mann im Weißen Haus allerdings nicht zum Übermenschen, sondern gibt sich als Patriot, der "Amerika wieder zu einem stolzen, reichen Land machen" möchte. Viele belächeln ihn wegen seiner Unbedarftheit, bezeichnen ihn als "vulgär, Beinahe-Analphabeten". Aber sie lassen ihn gewähren. Die daraus entstehende Diktatur schildert Lewis aus der Perspektive des liberalen Journalisten Doremus Jessup, der in Vermont eine kleine Provinzzeitung herausgibt und einer Zeit nachtrauert, "in der nichts modern und neurotisch war".

Zu wenig Widerstand

Doremus Jessup charakterisiert sich selbst als einen Angehörigen der "typisch kleinstädtischen Intelligenz" von "etwas sentimentaler" Natur. Er wird festgenommen und gefoltert. Und Sinclair Lewis resümiert: "Die Tyrannei dieser Diktatur ist nicht so sehr das Werk des Großkapitals und der Demagogen. Sondern sie ist das Werk des Doremus Jessup! All der gewissenhaften, ehrbaren Doremus Jessups, die den Demagogen das Tor geöffnet haben, weil sie sich nicht heftig genug widersetzten."

Dass sein Roman nach Erscheinen der deutschsprachigen Erstausgabe im Exilverlag Querido 1936 von den Nazis sofort verboten wurde, versteht sich. Im Buch formiert sich am Ende Protest gegen den Diktator im Weißen Haus aber erst, als die Bevölkerung merkt, dass es ihr wirtschaftlich doch nicht besser geht. Es kommt zu einem Putsch. Der Präsident flüchtet, seine Generäle zetteln einen Krieg mit Mexiko an.

Sinclair Lewis, den manche seiner Landsleute damals als "Staubaufwirbler und Störenfried" beschimpften, ist heute nahezu vergessen. It Can't Happen Here ist derzeit in den USA ein Bestseller. (Wolf Scheller, 6.3.2017)