Es klingt leiser Optimismus aus der Stimme Sergej Utkins heraus, wenn er über Russlands Verhältnis zum Westen spricht. Der Europaexperte des Primakow-Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen mag nicht an die Irreversibilität des Schadens glauben. "Ihren Tiefpunkt hatten die Beziehungen 2014/15. Im Vergleich dazu hat sich die Lage leicht normalisiert", diagnostizierte Utkin.

Neue Krisen seien nicht ausgeschlossen, und doch habe Moskau es selbst in der Hand, das Sanktionsregime zu lockern, meint der Experte. "Die Sanktionen wegen der Krim sind – auch wenn ihre Initiatoren das nicht gern betonen – symbolisch", erinnerte Utkin. Viel gravierender seien die auf dem Finanzmarkt geltenden Restriktionen im Zusammenhang mit der "wirklich untragbaren Situation in der Ostukraine". Utkin empfiehlt der Regierung, sich tatsächlich für ein Ende des Konflikts, den er für "lösbar" hält, einzusetzen, um die Sanktionen zu beenden und die für neues Wirtschaftswachstum erforderlichen Investitionen zu generieren.

Utkin gehört zum Kreis liberaler Politologen, seine Teilnahme am "sibirischen Davos", einer internationalen Wirtschaftskonferenz in Barnaul, organisiert vom Oppositionspolitiker Wladimir Ryschkow, bestätigt dies. Und doch sind die Aussagen keineswegs irrelevant: Utkin koordiniert die Rubrik Außen- und Sicherheitspolitik eines neuen Strategiepapiers, das Präsident Wladimir Putin bei seinem langjährigen Vertrauten Alexej Kudrin in Auftrag gegeben hat. Mit dem Papier, das im Mai fertig sein soll, will Putin 2018 in seine neue Amtszeit als Präsident gehen. Ob er den Vorschlägen der Experten wirklich folgen wird, steht auf einem anderen Blatt.

Donbass-Krise bleibt scharf

Derzeit sehen die Handlungen des Kremls eher nicht nach Entspannung aus: Nach der jüngsten Eskalation der Gewalt übte Moskau, das sich offiziell als neutraler Beobachter gibt, einseitig Kritik an den Handlungen des ukrainischen Militärs, ohne die prorussischen Separatisten zur Mäßigung zu rufen. Anschließend ließ Putin die von den Rebellen ausgegebenen Pässe anerkennen, sein Pressesprecher Dmitri Peskow ließ die Frage nach der Anerkennung der "Volksrepubliken" in Donezk und Luhansk am Montag bewusst unbeantwortet. Milizenführer Alexander Sachartschenko hat bereits die Vernichtung der Ukraine innerhalb von zwei Monaten versprochen.

Und doch gibt es auch in konservativen Kreisen der russischen Politik Verständnis dafür, dass für höheres Wachstum westliche Investitionen nötig sind – und diese am einfachsten durch eine Beruhigung der Lage im Donbass zu erreichen sind. Hinter den Kulissen haben zuletzt mehrere führende russische Außenpolitiker ihr Interesse an einer Beilegung des Streits mit dem Westen betont. Während die Zugehörigkeit der Krim aus Moskauer Sicht unantastbar ist, sind Zugeständnisse beim Donbass dabei möglich, so die Signale. (André Ballin aus Barnaul, 7.3.2017)