Bevor die OMV bei ihrem ersten großen Deal zur Gasförderung in Russland am Ziel ist, finalisiert sie schon den zweiten Schritt. Mit dem Einstieg beim sibirischen Juschno-Russkoje-Feld um 1,75 Milliarden Euro hievt der teilstaatliche Konzern seine Eigenproduktion um 100.000 Fass pro Tag nach oben, womit künftig ein Viertel des OMV-Gases in Russland gefördert wird. Gehen die Pläne von Unternehmenschef Rainer Seele auf, steigt das Volumen aus dem Kreml-Reich dank des noch nicht fixierten Tauschgeschäfts mit der Gazprom in wenigen Jahren auf 150.000 Barrel.
Die Strategie ist so simpel wie einleuchtend. Die vom Preisverfall ordentlich gebeutelte OMV trennt sich von teuren Förderstätten und will den Eigenanteil mit billigerer Produktion steigern. Der Wandel wird in atemberaubendem Tempo vollzogen. Seele hat sich in kurzer Zeit – er amtiert seit Juli 2015 – von Nordsee-Aktivitäten und dem Türkei-Geschäft getrennt und obendrein, sehr zum Ärger der Sozialdemokraten, Minderheitsanteile an der österreichischen Gasleitungsgesellschaft Gas Connect verkauft.
Politisches Risiko
Ein Gros der Verkaufserlöse fließt nach Russland, gegen das die EU immerhin Sanktionen verhängt hat. Billiges Gas hin oder her: Das politische Risiko der Aktivitäten halten nicht wenige Analysten für erheblich. Insbesondere eine Eskalation der diplomatischen Beziehungen zwischen der EU und Russland könnte Folgen für die OMV haben.
Dass mit Moskau nicht immer gut Kirschen essen ist, hat u. a. BP – immerhin ein paar Nummern größer als der österreichische Kontrahent – schon zu spüren bekommen. Vor zehn Jahren wurden die Briten nach Querelen faktisch aus dem Land geschmissen. Seele hält dem entgegen, dass BP heute wieder dick im Geschäft ist: Der Multi hält eine große Beteiligung an Rosneft und erschließt gemeinsam mit den Russen bedeutende Felder. Die Verbindung ist umso interessanter, als Rosneft das Gasgeschäft ausbaut und das Gazprom-Monopol brechen will.
Doch OMV ist nicht BP. Und die Geschichte wiederholt sich nicht zwangsläufig. Relativ augenscheinlich ist die Abhängigkeit, in die sich die Österreicher begeben. Sowohl bei Juschno Russkoje als auch beim noch nicht finalisierten Engagement – dem ebenfalls in Sibirien gelegenen Feld Achimow – ist die OMV Juniorpartner der Gazprom. Bei wichtigen Entscheidungen, darunter auch die Preisgestaltung, sitzen die Russen am längeren Ast.
Kosten senken und Reserven auffetten
Auf der anderen Seite liegen die Vorteile der Verbindung für die OMV auf der Hand. Bei Juschno Russkoje gibt sie die Produktionskosten mit zwei Dollar je Barrel an – das sind Welten im Vergleich mit der Nordseeförderung. Damit gelingt Seele das Kunststück, die Kosten zu senken und die Reserven aufzufetten. Und das, "ohne neue Schulden zu machen", wie Seele dem Standard erklärt.
Somit bleibt als große Unwägbarkeit das politische Risiko Russlands. Dieses auszuschalten, hat seinen Preis, wie das Nordsee-Abenteuer zeigt. Im Iran etwa sei das Risiko ein Vielfaches, sagte Finanzminister Hans Jörg Schelling bei der Unterzeichnung des Gazprom-Tausches vor einem Jahr.
In Europa stößt vielen Beobachtern auf, dass Österreich gerade den Türöffner für Russland gibt. Norwegen hat beispielsweise keine Freude damit, dass die OMV ihre Borinseln gegen sibirische Gasfelder tauschen will. Dazu kommt noch das massive Engagement Wiens bei der ebenfalls von Gazprom betriebenen Pipeline North Stream 2, die Europas Gasimport stärken soll. Polen und die baltischen Länder laufen schon länger Sturm gegen das Vorhaben, weil die Röhre an ihnen vorbei führt. Die Liebensgrüße von Wien nach Moskau kommen dort nicht gut an. Womit sich wieder einmal zeigt: Gute Geschäfte mit Russland hatten in Europa schon immer mehr Bedeutung als das Ziel einer einheitlichen Vorgangsweise gegenüber Moskau. (Andreas Schnauder, 6.3.2017)