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Innenminister Sobotka will Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Österreich untersagen.

Foto: Reuters/Bader

Wien – Wie seine Parteikollegen verlangt auch Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) ein Auftrittsverbot für türkische Politiker in Österreich. Im Ö1-"Morgenjournal" schlug er am Dienstag vor, dafür das Versammlungsrecht um einen Passus zu erweitern.

Dieser solle lauten: "In Zukunft soll mit der Zustimmung der Bundesregierung der Innenminister im Einvernehmen mit dem Außenminister einem ausländischen Politiker die Teilnahme an einer Veranstaltung, die nicht der Wahl zu einem inländischen verfassungsmäßigen Vertretungskörper dient, untersagt werden können, sofern es zum Schutz der in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgehaltenen Menschen- und Grundrechte dient."

Seit in Deutschland der Wahlkampfauftritt des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu wegen Brandschutzmängeln in einer Hamburger Veranstaltungshalle untersagt wurde, wird in Österreich über ein generelles Auftrittsverbot diskutiert. Çavuşoğlu wollte in Deutschland für das türkische Verfassungsreferendum am 16. April werben.

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hatte sich am Wochenende für eine EU-Regelung gegen Wahlkampfauftritte ausgesprochen. In der "Presse" präzisierte das Bundeskanzleramt nun, dass der Kanzler nicht an eine rechtliche Aktion gedacht habe, sondern an ein gemeinsames politisches Auftreten. Außenminister Sebastian Kurz und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (beide ÖVP) wollen jedenfalls ein Auftrittsverbot in Österreich.

AKP-Abgeordneter beschimpft Kern

Es gebe derzeit eine dermaßen "aufgeheizte Stimmung", dass die öffentliche Sicherheit nicht garantiert werden könne, sagt Innenminister Sobotka. Die Türkei würde Journalisten einsperren und damit gegen die Menschenrechte verstoßen.

Am Montag holte der AKP-Abgeordnete Burhan Kuzu auf Twitter gegen Kern aus. Er schrieb, die einzige Antwort auf den Vorschlag, Wahlkampfauftritte türkischer Politiker zu verbieten, wäre: HS. Das sind die Anfangsbuchstaben eines Schimpfworts, dass sinngemäß mit "Verpiss dich" zu übersetzen ist.

Der Berater des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan beleidigte Kern nicht zum ersten Mal auf Twitter, berichtete die "Presse" am Dienstag. Schon im August hatte Kuzu in Richtung Kern getwittert: "Verpiss dich, Ungläubiger! EU sinkt sowieso, und Nato ist nichts ohne die Türkei." Der AKP-Abgeordnete ist Professor für Verfassungsrecht und ehemaliger Präsident der Verfassungskommission.

Türkischer Wahlkampf "nicht zuzumuten"

Auf die Frage, ob man die Demokratie mit einem Auftrittsverbot für ausländische Politiker nicht einschränke, sagt der Innenminister: "Meines Erachtens braucht es eine wehrhafte Demokratie. Man kann sich nicht von einem Staat eine politische Auseinandersetzung in das eigene Staatsgebiet tragen lassen. Das halte ich für nicht gerechtfertigt."

Es sei den österreichischen Bürgern nicht zuzumuten, "auch noch die Auseinandersetzungen von ausländischen Wahlkämpfen hier zu haben". Zumal diese ausländischen Politiker eben "diese Rechte, die wir schützen wollen, massiv angreifen".

Seinen Vorschlag habe er bereits mit Vizekanzler Mitterlehner besprochen. Dieser sagte vor dem Ministerrat, dass nicht der örtliche Bürgermeister über ein Verbot entscheiden soll, sondern die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit. Das Gesetz zur Versammlungsfreiheit soll in zwei bis drei Wochen in Begutachtung gehen und könnte im Sommer in Kraft treten. Das ist für den derzeitigen Wahlkampf zu spät, weshalb man die Möglichkeiten eines Verbots mit der derzeitigen Gesetzeslage auslote, sagte Mitterlehner.

Sobotka will den Passus an die zuständigen Experten übermitteln und ihre Vorschläge so schnell wie möglich umsetzen. "Damit den Worten Taten folgen." Umsetzen könne man das Verbot des ausländischen Wahlkampfs per Einreiseverbot oder Auftrittsverbot oder durch die Untersagung einer Veranstaltung. Vor dem Ministerrat betonte Sobotka wiederum, dass es nicht um Einreiseverbote gehe, sondern darum, Wahlkampfveranstaltungen zu verhindern.

Umsetzung schwierig

Ein Auftrittsverbot für ausländische Politiker in Österreich oder innerhalb der EU ist rechtlich nur dann umsetzbar, wenn die öffentliche Sicherheit bedroht ist. Darin waren sich Verfassungs- und Europarechtsexperten im Ö1-"Morgenjournal" einig.

Verfassungsrechtler Theo Öhlinger hält eine solche Regelung für "sehr, sehr schwierig". "Man wird ja nicht argumentieren können, wenn hier in Österreich für eine Quasi-Diktatur in der Türkei geworben werden darf, dann müssen wir fürchten, dass dann auch bei uns eine Quasi-Diktatur demnächst in die Wege geleitet würde." Ein Verbot sei nur denkbar, wenn innerhalb der türkischen Minderheit in Österreich die Spannungen durch einen solchen Auftritt derart steigen würden, dass wechselseitige Gewalttaten zu befürchten seien.

Ähnlich sieht das der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk. Wenn es bei einer Wahlkampfveranstaltung zu strafrechtswidrigen Handlungen wie gewaltsamen Ausschreitungen, aber auch zu Aufrufen zu Gewalt oder Verhetzung komme, "besteht die Möglichkeit, sehr wohl eine solche Versammlung entweder von vornherein zu untersagen oder gegebenenfalls aufzulösen", sagt Funk. In einem solchen Fall könne Erdoğan auch die Einreise verweigert werden.

EU-Regierungschefs können empfehlen

Auf EU-Ebene ist ein generelles Einreiseverbot nicht durchzusetzen, sagt Europarechtler Walter Obwexer. Die Staats- und Regierungschefs könnten ein solches aber allen Regierungschefs empfehlen. "Sie würden es wahrscheinlich allgemein formulieren, nicht nur auf die Türkei bezogen", sagt Obwexer. Eine solche Empfehlung könnte lauten, dass die Einreise untersagt wird, wenn Minister von Drittstaaten zu Wahlkämpfen ins Land reisen und Gefahr provozieren und damit die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit gefährden.

Kritik an Wahlkampfauftritten von türkischen Politikern kommt auch aus der FPÖ. "Türkische Politiker haben in Österreich keine politischen Wahlauftritte genehmigt zu erhalten", erklärte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache via Facebook. Der blaue Parteichef wies darauf hin, dass SPÖ, ÖVP und Grüne in der Vergangenheit Erdogan in Wien auftreten ließen.

Solche Auftritte hätten in Österreich aber grundsätzlich nichts verloren. "Da braucht man kein fadenscheiniges EU-weites Auftritts-Verbot fordern, sondern einfach solche Auftritte konsequent in Österreich untersagen und verbieten. Wer Erdogan zujubeln möchte, soll in die Türkei fliegen. Und am besten gleich dort bleiben", so Strache. Der Wiener FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus forderte zudem die Einstellung von Subventionen an AKP-nahe Vereine in Österreich. (sterk, koli, APA, 7.3.2017)