Frauen, ab in Mathematik und Technik, und dann gibt es bald keinen Gender-Pay-Gap mehr? Ganz so linear funktioniert es möglicherweise nicht, merkt ein Forscherteam an und liefert dafür historische Beispiele.

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Was Frauen sollen – oft enden Analysen zum sogenannten Gender-Pay-Gap mit diesen Empfehlungen. Vor allem im Vorfeld des Weltfrauentags trudeln die Ratschläge nur so ein. Zusammenfassen kann man sie so: Frauen sollten sich besser bezahlte Berufe aussuchen und daher auch auf einen entsprechenden Ausbildungsweg achten. Momentan heißt das konkret: Frauen an die technischen Unis, Frauen in die Mint-Berufe – und bald gibt es keinen Gender-Pay-Gap mehr. (Wenn dann auch noch die Familien- und Pflegearbeit nicht fast ausschließlich Frauensache bleibt.)

Rechnung geht nicht auf

Dass diese Rechnung nicht aufgeht, verrät ein Blick in die Geschichte: Es ist immer wieder vorgekommen, dass klassische "Frauenberufe" zu "Männerberufen" wurden – und umgekehrt. Gleich mehrere Wissenschafter haben sich diese Wechsel genauer angesehen und sind zu dem Schluss gekommen, dass ein steigender Frauenanteil in einem Beruf negative Konsequenzen für das jeweilige Verdienstniveau bedeutete. Nicht nur das: Auch der Status von Berufen wird durch das Merkmal Geschlecht beeinflusst. In zwei Studien konnte nachgewiesen werden, dass eine Feminisierung der Berufe in der Regel mit einer Abwertung und eine Maskulinisierung mit einer Aufwertung der Tätigkeiten verbunden war. Die Forscher nennen hier beispielsweise Kellner, Friseure, Apotheker, Lehrer sowie einzelne Berufe der Textil- und Bekleidungsindustrie.

Überspitzt formuliert: Erfüllen Frauen künftig die Träume der Ratschlaggeber und drängen beispielsweise in den momentan gefragten und gut bezahlten Job Data-Scientist, sehen die Assoziationen mit diesem Beruf in 15 Jahren vielleicht schon ganz anders aus.

Instrumente gesucht

Die historischen Untersuchungen zusammengefasst hat ein Forscherteam der deutschen Hans-Böckler-Stiftung. Ihr Anliegen: ein Instrument zu finden, mit dem man diese Entwicklungen auch statistisch messen kann. Denn bislang wurde die Abwertung ausgewählter weiblich dominierter Berufe nur in Betriebsfallstudien festgestellt. Dafür ist es notwendig, Arbeitsanforderungen und -belastungen in den inhaltlich sehr unterschiedlichen "Frauen"- und "Männerberufen" geschlechtsneutral zu vergleichen. Das Team will damit die Frage beantworten, ob auch derzeit bei gleichen Anforderungen und Belastungen unterbewertet und unterbezahlt wird zwischen den Geschlechtern.

Was aber heißt gleichwertige Arbeit? Zur Erstellung dieses Index wurden verschiedene Tätigkeitsaspekte berücksichtigt, zum Beispiel psychosoziale Anforderungen oder auch Anforderungen an das Wissen und Können in einem Beruf. Der Index wurde dann durch quantitative und qualitative Methoden validiert. Aufbauend auf den Ergebnissen wurden weitere Analysen anhand der Verdienststruktur durchgeführt – es wurde beziffert, inwieweit die Verdienste von Frauen und Männern abweichen, die aus arbeitswissenschaftlicher Sicht gleichwertige Tätigkeiten ausüben.

Gender-Pay-Gap anders diskutieren

Ihr Fazit: "Frauenberufe" werden gegenwärtig – gemessen an ihren jeweiligen Anforderungen und Belastungen – häufiger unterdurchschnittlich bezahlt (in 45 Prozent der Fälle), aber auch in männlich dominierten Berufen kommt es zu geringen Verdiensten (26 Prozent). In Zukunft seien weitere multivariate Analysen mit dem vom Team verwendeten Index notwendig, um zu ausführlicheren Antworten zu kommen.

Wichtig bei Diskussionen zum Gender-Pay-Gap sei es jedenfalls zu betonen, dass Unterschiede zwischen besser- und schlechterbezahlten Berufen nicht das Ergebnis perfekt funktionierender Märkte seien. "Entlohnungssysteme werden in Tarifverträgen oder betrieblichen Vereinbarungen für längere Zeit institutionalisiert. Und diese Systeme sind historisch gewachsen und legen fest, nach welchen Kriterien Berufe und Tätigkeiten bewertet und bezahlt werden", schreibt Sarah Lillemeier, Soziologin an der Universität Duisburg-Essen, die Teil des Teams der Böckler-Stiftung ist. Wie wichtig die genannten Arbeitbewertungsverfahren bei der Betrachtung des Gender-Pay-Gaps sind, müsse in Zukunft unbedingt mitgedacht werden. (lhag, 8.3.2017)