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Mevlüt Çavuşoğlu wetterte in Hamburg gegen Deutschland und Europa.

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Weil der Auftritt in einer Hamburger Veranstaltungshalle wegen Brandgefahr untersagt wurde, sprach der türkische Außenminister Çavuşoğlu vom Balkon der Residenz des türkischen Generalkonsuls in Hamburg.

Foto: Daniel Reinhardt/Dpa via AP

Hamburg – Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hat Deutschland bei seinem Auftritt in Hamburg scharf angegriffen. Deutschland verfolge eine "systematische Gegnerschaft zur Türkei", sagte Çavuşoğlu laut einer Simultanübersetzung des Fernsehsenders n-tv am Dienstagabend. Türkische Staatsbürger würden in Deutschland "systematisch unterdrückt", sagte er unter dem Jubel seiner Anhänger.

Das gehöre sich nicht für eine Freundschaft, sagte der türkische Außenminister vor der Residenz des türkischen Generalkonsuls in der Hansestadt. Er kritisierte eine "systematische Kampagne" gegen die Türkei, obwohl sein Land niemals eine feindselige Haltung gegenüber Deutschland oder den Deutschen eingenommen habe. Die Türkei habe Deutschland immer als "befreundetes Land" angesehen.

Çavuşoğlu will keine Menschenrechts-Lektionen

"Bitte hört auf, uns Lektionen in Menschenrechten und Demokratie zu erteilen", fügte Çavuşoğlu angesichts der Umstände seines Auftritts hinzu. Der Außenminister sagte, Zusammentreffen türkischer Politiker mit türkischstämmigen Bürgern in Deutschland sollten gezielt verhindert werden. "Passt das zu den Menschenrechten, passt das zu den Versammlungsrechten?", rief Çavuşoğlu der Übersetzung zufolge in die Menge. Er warf der EU vor, alle Arten von Terrorismus gegen die Türkei zu unterstützen. Europa habe ein großes Problem des Rassismus, der Fremden- und Islamfeindlichkeit.

Çavuşoğlu hatte ursprünglich am Dienstagabend in einer Hochzeitshalle im Stadtteil Wilhelmsburg vor Hunderten Landsleuten auftreten wollen, um für die Einführung des umstrittenen Präsidialsystems zugunsten von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei zu werben. Dazu gibt es im April eine Referendum, bei dem auch in Deutschland lebende Türken abstimmen dürfen. Die Behörden beanstandeten bei der Begehung jedoch erhebliche "brandschutzrechtliche Mängel" und untersagten die Veranstaltung daher.

"Beugen uns nur vor Gott"

Der Außenminister sprach letztlich von einem Balkon der Residenz des Generalkonsuls aus. Mit diesen Behinderungen könne die türkische Regierung nicht aufgehalten werden, sagte der türkische Minister, der seinen Anhängern Grüße Erdoğans überbrachte. "Wir beugen uns nur vor Gott, sonst vor niemanden", fügte er hinzu und rief die Deutschen auf: "Bitte kehrt ab von diesen falschen Verhaltensweisen."

Werbeauftritte türkischer Regierungsmitglieder in Deutschland sorgen seit Tagen immer wieder für Wirbel. Schon mehrfach untersagten die zuständigen kommunalen Aufsichtsbehörden Veranstaltungen wegen Sicherheitsrisiken. Die türkische Regierung kritisierte dies scharf. Im Vorfeld des Auftritts in Hamburg hatte der Außenminister den Vergleich der Absagen der Wahlkampfauftritte mit "Nazi-Methoden" wiederholt. Diese Äußerung hatte Erdoğan in Deutschland heftige Kritik eingebracht.

Çavuşoğlu warf den deutschen Behörden in Hamburg erneut vor, sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei einzumischen und auf ein Nein beim Referendum am 16. April über die Einführung des Präsidialsystems in der Türkei hinzuarbeiten. Çavuşoğlu kündigte an, bei einem Treffen mit dem deutschen Außenminister Sigmar Gabriel am Mittwoch in der Früh über das deutsch-türkische Verhältnis zu sprechen. "Wir müssen darüber reden, wie wir künftig miteinander umgehen wollen."

Merkel: Türkei nicht mit Einschränkung der Meinungsfreiheit drohen

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zu Souveränität im Umgang mit der Türkei aufgerufen. Deutschland müsse den Konflikt mit Ankara um Wahlkampf-Auftritte türkischer Minister im Land aushalten, sagte Merkel am Dienstag in einer Unionsfraktionssitzung in Berlin nach Teilnehmerangaben.

Es sei nicht klug, wenn Deutschland der Türkei die Einschränkung der Meinungsfreiheit vorwerfe und dann mit Einschränkung der Meinungsfreiheit antworte. In der Sitzung habe niemand ein Einreiseverbot gefordert, hieß es.

Mit "offenem Visier" handeln

Türkische Politiker sollten aber in Deutschland mit "offenem Visier" handeln, mahnte Merkel. Damit spielte sie darauf an, dass als Vereinstreffen angemeldete Veranstaltungen plötzlich zu Wahlkampfauftritten mit türkischen Politikern für das umstrittene Verfassungs-Referendum umgewidmet werden sollten.

Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière sagte in der Sitzung den Angaben zufolge, dass der türkische Staatspräsident Erdoğan bewusst Provokationen anfache, um die Wahlbeteiligung der in Deutschland lebenden 1,4 Millionen wahlberechtigten Türken zu erhöhen. Mit dem Referendum über ein Präsidialsystem will Erdoğan seine Macht deutlich ausweiten und das Parlament schwächen. (APA, 7.3.2017)