Blick von der Bohrplattform aus Richtung Süden über den Hallstätter See. Der Ort Hallstatt mit dem darüber liegenden Hochtal mit den prähistorischen Salzbergwerken befindet sich am rechten Bildrand.

Foto: Stefan Lauterbach

Die Bohrplattform auf dem Hallstätter See.

Foto: Kerstin Kowarik

Die Bohrkammer mit einem Bohrkern wird an Bord der Bohrplattform gezogen.

Foto: Kerstin Kowarik

Das Wasser über der Sedimentoberfläche in einem Oberflächenkern wird abgezogen, um ihn anschließend für den Transport verpacken zu können.

Foto: Kathleen Wendt

Detailansicht der Grenze zwischen Wasser und Sedimentoberfläche in einem Bohrkern aus 125 Metern Wassertiefe. Die feine Schichtung der Sedimentablagerungen ist deutlich erkennbar.

Foto: Stefan Lauterbach

Vergleich der Oberflächensedimente des Hallstätter Sees in dem im Juni 2016 gewonnenen Bohrkern (links) und in einem Bohrkern aus Voruntersuchungen im Jahr 2012 (rechts). Anhand der feinen Schichtung lassen sich beide Kerne hervorragend parallelisieren. Deutlich erkennbar sind die starken Unterschiede zwischen den einzelnen Lagen, die verschiedene Eintragsereignisse aus den unterschiedlichen Zuflüssen wiederspiegeln. Seit 2012 sind etwa vier Zentimeter Sediment abgelagert worden.

Foto: Stefan Lauterbach

Detailansicht eines geöffneten Sedimentbohrkerns aus dem Hallstätter See. In dem Kern aus etwa 6,2 Metern Sedimenttiefe ist die feine Schichtung der Sedimente ebenfalls deutlich erkennbar. Ein in den Sedimenten gefundenes Buchenblatt wurde mit der Radiokarbonmethode auf ein Alter von etwa 650 Jahren vor heute datiert.

Fotos: Stefan Lauterbach

Seen stellen für die Rekonstruktion von Klima- und Umweltveränderungen in der Vergangenheit ein äußerst wichtiges Archiv dar. Im Juni hat Kerstin Kowarik in diesem Blog bereits über die Forschungsaktivitäten am Hallstätter See im Salzkammergut berichtet. Hier nun ein Überblick über die aktuellen Fortschritte und Ziele des vom FWF geförderten Forschungsprojekts "Sedimente des Hallstätter Sees als Paläohochwasserarchiv", welches ich zurzeit in der Arbeitsgruppe für Quartärforschung am Institut für Geologie der Universität Innsbruck bearbeite.

Wir erinnern uns: Im Laufe der Zeit wird durch Eintrag von außen über Flüsse und Wind sowie durch seeinterne Produktion kontinuierlich Material am Seeboden abgelagert. Dessen Zusammensetzung variiert abhängig von den jeweils vorherrschenden Klima- und Umweltbedingungen. Über die Analyse der Sedimentzusammensetzung lassen sich somit vielfältige Informationen über Klima und Umwelt in der Vergangenheit gewinnen, im Idealfall über Jahrtausende hinweg.

Pflanzenreste, Pollen, extreme Hochwasser

So können Pflanzenreste und Pollen Aufschluss über klimatisch bedingte und vom Menschen verursachte Vegetationsveränderungen liefern. Geochemisch-sedimentologische Untersuchungen wiederum geben Informationen über Veränderungen im Materialeintrag von außen, etwa durch extreme Hochwasserereignisse.

Für die präzise Datierung der identifizierten Klima- und Umweltveränderungen bieten sich verschiedene Methoden an. In einigen Seen bildet sich jedes Jahr eine charakteristische Abfolge von deutlich unterscheidbaren Lagen mit saisonal unterschiedlicher Zusammensetzung aus. Da sich die Abfolge dieser Lagen jedes Jahr wiederholt, können die einzelnen Jahre meist klar abgegrenzt und, ähnlich wie bei Baumringen, gezählt werden. Eine andere Möglichkeit ist die Datierung von am Seeboden abgelagerten Pflanzenresten mittels der Radiokarbonmethode.

Einfluss des Klimawandels?

Extreme Hochwasserereignisse stellen unter allen Naturkatastrophen die größte Bedrohung für Wirtschaft und Gesellschaft in Mitteleuropa dar. Da instrumentelle Daten und historische Aufzeichnungen, etwa Pegel- und Abflussmessungen oder Ortschroniken aber meist nur wenige Jahrhunderte zurückreichen, bieten Seesedimente eine hervorragende Möglichkeit, ihre Auftretenshäufigkeit auch über deutlich längere Zeiträume hinaus zu rekonstruieren. Dies ist vor allem deshalb wichtig, weil zunehmende Unklarheit darüber besteht, inwieweit das subjektiv empfundene häufigere Auftreten von extremen Hochwassern in jüngster Vergangenheit noch im Rahmen der natürlichen Klimavariabilität liegt.

So stellt sich angesichts der verheerenden Sommerhochwasser der Jahre 2002 und 2013, welche in dieser Stärke normalerweise nur alle 100 bis 200 Jahre auftreten, die Frage, ob solche Ereignisse vor dem Hintergrund des fortschreitenden, durch den Menschen verursachten Klimawandels zukünftig häufiger zu erwarten sind. Um zu einer realistischen Abschätzung zu gelangen und die komplexen klimatischen Steuerungsmechanismen besser zu verstehen, ist deshalb ein Blick in die Zeit vor der signifikanten Einflussnahme des Menschen auf das Klima unerlässlich. Nur mit einem möglichst umfassenden Verständnis der natürlichen Hochwasservariabilität und ihrer Steuerungsfaktoren ist es möglich, den Einfluss des Klimawandels auf das Auftreten von Hochwasserereignissen realistisch einzuschätzen. Und nur so lassen sich verlässliche Abschätzungen für beispielsweise die Dimensionierung von Hochwasserschutzmaßnahmen oder Versicherungsrisiken machen.

Zeitraum von 2300 Jahren im Sediment

Im Juni 2016 wurde aus dem Hallstätter See aus 125 Metern Wassertiefe ein etwa 16 Meter langer Sedimentbohrkern gezogen. Ersten Radiokarbondatierungen an im Sediment gefundenen Buchenblättern zufolge deckt dieser Bohrkern einen Zeitraum von etwa 2300 Jahren ab. Anhand der geochemisch-sedimentologischen Analyse der Seesedimente soll nun eine zeitlich möglichst weit zurückreichende Rekonstruktion von extremen Hochwasserereignissen erstellt werden. Dies ist möglich, weil die Sedimentablagerungen des Hallstätter Sees vor allem durch saisonal schwankenden Eintrag von Gesteinsmaterial durch den Hauptzufluss Traun sowie kleinere Bäche geprägt sind.

Jedes größere Abflussereignis, egal ob nach der Frühjahrsschneeschmelze oder sommerlichem Starkregen, transportiert dabei mehr oder weniger große Mengen Gesteinsmaterial in den See, wo es als Eintragslage am Seeboden zur Ablagerung kommt. Je nach Ursprung beziehungsweise Art des Abflussereignisses unterscheiden sich diese Lagen stark in ihrem Erscheinungsbild, was ein relativ komplexes Sedimentationsmuster aus unterschiedlichsten Lagen zur Folge hat. Die Hauptaufgabe besteht nun darin, dieses Muster zu entschlüsseln und durch große Sommerhochwasser nach Starkregenereignissen verursachte Eintragslagen von kleineren Abflussereignissen und lokalen Murabgängen zu unterscheiden.

Ähnliche Untersuchungen sind übrigens in der Vergangenheit bereits am nicht weit entfernten Mondsee durchgeführt worden. Über den Vergleich mit dem Hallstätter See wird es hoffentlich möglich sein, große überregionale Hochwasserereignisse zu identifizieren und einen langen Hochwasserdatensatz zu erstellen. Dies ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil die Traun ein wichtiger Zufluss der Donau ist und sich somit Aussagen über die großräumige Hochwasseraktivität machen lassen.

Historische Hangrutschungen in Hallstatt

Obwohl man für gewöhnlich bereits vor einer Bohrkampagne durch Voruntersuchungen eine Vorstellung von der Beschaffenheit der Seesedimente und ihrem Potential für die Beantwortung der wissenschaftlichen Fragestellung hat, offenbart sich die ganze Wahrheit erst bei der Öffnung der Sedimentbohrkerne.

Im Hallstätter See finden sich zwischen den normalen feingeschichteten Seesedimenten die mehrere Meter mächtigen Ablagerungen von zwei großen Hangrutschungen beziehungsweise Bergstürzen. Auf den ersten Blick nicht unbedingt hilfreich für die Erstellung eines möglichst langen Hochwasserdatensatzes, eröffnet dies doch völlig neue Aspekte der wissenschaftlichen Bearbeitung.

Beendete Hangrutschung eisenzeitlichen Bergbau?

Die jüngere Rutschungsablagerung im Sedimentbohrkern datiert in etwa auf das 10. Jahrhundert n. Chr. und die ältere auf das 3. Jahrhundert v. Chr. Vor allem die ältere Ablagerung ist für die Archäologie von Interesse. Es ist bekannt, dass die bronze- und eisenzeitliche Bergbautätigkeit im Hochtal über Hallstatt mehrfach von großen Hangrutschungen unterbrochen wurde. Fassen wir nun mit der älteren Ablagerung, die wir im Seebohrkern beobachten, jene Rutschung, die den eisenzeitlichen Bergbau beendete?

Zukünftige Untersuchungen auf dem Hallstätter Salzberg im Rahmen eines von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geförderten Projekts unter Leitung von Kerstin Kowarik werden zeigen, ob sich Hangrutschungen im Hochtal eventuell mit den großen Rutschungsablagerungen im Sedimentbohrkern parallelisieren lassen.

Auch für weitere Fragen zur Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte können die Sedimente aus dem See wichtige Aufschlüsse bringen. Denn während für die Bronze- und Eisenzeit untertägiger Salzbergbau im Hochtal über Hallstatt gut belegt ist und für die römische Zeit zumindest Hinweise bekannt sind, ist für den Zeitraum vom 5. bis in das 13. Jahrhundert unklar, ob und wie viele Menschen im Umfeld von Hallstatt lebten und welche wirtschaftlichen Tätigkeiten sie ausübten. Analysen der in den Seesedimenten eingelagerten Pflanzenpollen werden hoffentlich Aufschluss über die Art und Intensität der menschlichen Eingriffe in die Umwelt geben. (Stefan Lauterbach, 9.3.2017)