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Angela Merkel will über Medienberichte über den VW-Skandal informiert worden sein.

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Berlin/Brüssel/Turin – Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Mittwoch einen besonderen Auftritt. Als letzte Zeugin wurde sie im Abgasuntersuchungsausschuss des deutschen Bundestags hinsichtlich der VW-Affäre befragt. Der Ausschuss wurde Juli 2016 eingesetzt, um zu klären, wie und wann die deutsche Bundesregierung vom Abgasskandal erfahren hat.

"Ich habe Kenntnis bekommen durch die Medienberichterstattung", sagt Merkel. Aus Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen – ganz konkret am 19. September 2015. Wenig später, nach ihrer Erinnerung am 21. September, sei sie von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) informiert worden. Mit dem damaligen VW-Chef Martin Winterkorn habe sie erst "wahrscheinlich am 22. September" telefoniert. Auf die Frage, was sie von ihm erfahren habe, antwortete die Kanzlerin: "Nichts, was ich nicht schon gewusst hätte aus den Informationen des Verkehrsministers und der Medien." Von Dobrindt habe sie sich gut informiert gefühlt. Dieser habe rasch eine Untersuchungskommission eingerichtet und dafür plädiert, alles auf den Tisch zu legen, was Merkels volle Unterstützung gehabt hätte.

Deutsche Behörde ohne Tadel

Den Eindruck, dass die deutschen Behörden Fehler oder Versäumnisse begangen hätten, habe sie nicht, so Merkel. Weshalb der Abgasskandal nicht in Deutschland aufgedeckt wurde, dafür hat Merkel keine Erklärung. Im Übrigen habe für sie in den Jahren zuvor die Minderung der CO2-Emissionen bei Autos eindeutig im Vordergrund gestanden, verglichen mit dem Stickoxidausstoß, der bei Dieselfahrzeugen problematisch ist. Deshalb habe sie auch bei einem Gespräch mit dem damaligen kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger 2010 erklärt, dass die dort geplanten neuen scharfen NOX-Grenzwerte für deutsche Dieselautos ein Problem darstellten.

Ein Problem hat indes, wie berichtet, EU-Kommissarin Vera Jourová damit, dass VW in Europa keine Entschädigungen zahlen will. Sie schlägt nun vor, dass für betroffene Kunden zumindest nach der Umrüstung die Garantiezeit aufs Neue zu laufen beginnen solle. Dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) reicht das nicht, sagt VKI-Juristin Ulrike Wolf auf Anfrage des STANDARD. "Auch die europäischen Kunden haben ein Recht auf Entschädigungszahlung." Ob das Ansinnen erhört wird, ist noch offen.

Kein offenes Ohr fand indes Sergio Marchionne bei VW-Chef Matthias Müller. Nach dem Zusammenschluss von Peugeot mit Opel hält der Chef des italienisch-amerikanischen Autokonzerns Fiat Chrysler Automobiles (FCA) nämlich weitere Fusionen für möglich, wie er am Genfer Autosalon erklärte. Er erwarte sich, so Marchionne, dass sich Volkswagen bei FCA präsentieren werde, um über ein Zusammengehen zu sprechen.

In Autokreisen werden die Äußerungen von Sergio Marchionne als reines Wunschdenken interpretiert. So hat denn auch VW-Chef Matthias Müller diese Idee zu Wochenmitte brüsk zurückgewiesen. "Ich bin für nichts gesprächsbereit, ich kümmere mich um VW und nicht um Fiat", sagte Müller.

Überschätzter Faktor Größe

Das war nicht anders zu erwarten. Schließlich hat sich VW schon am spanischen Fiat-Klon Seat fast verhoben. Auch sieht VW-Markenchef Herbert Diess Wachstum durch Übernahmen skeptisch: "Der am meisten überschätzte Faktor in der Automobilindustrie ist wahrscheinlich die Größe", so Diess.

Offensichtlich hat Europas größter Autobauer VW genügend Mittel zur Verfügung, um die nötigen Investitionen in der Zukunft allein zu stemmen. FCA hat das nicht. Der Autobauer muss vorerst seine Bilanz sanieren und die 24 Milliarden Euro Schulden abbauen, bis er daran denken kann, die dringend nötigen Ausgaben für Entwicklung und Forschung zu finanzieren. Dafür benötigt man einen Partner. (Reuters, tkb, rebu, 8.3.2017)