Wien/Luxemburg – Das Glücksspielgesetz (GSpG) beschäftigt wieder einmal den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Am Donnerstag hat sich die EuGH-Generalanwältin zu Verwaltungsstrafverfahren gegen Automatenbetreiber geäußert. Es kann unter Umständen okay sein, dass die Verwaltungsgerichte Richter und Kläger in einem sind. Aber es ist nicht ihre Aufgabe, das Glücksspielmonopol zu rechtfertigen. Das müsse der Staat tun.

Der EuGH folgt dem Generalanwalt oder der Generalanwältin in vier von fünf Fällen. Die sogenannten Schlussanträge sind nur Empfehlungen.

Richter riefen EuGH an

Aktuell hat wieder einmal das Landesverwaltungsgericht (LVwG) Oberösterreich den EuGH wegen des österreichischen Glücksspielgesetzes angerufen. Der Linzer Richter ist der Meinung, dass die heimischen Regeln aus mehreren Gründen EU-Recht widersprechen. Insgesamt sind derzeit drei Vorlageverfahren aus Österreich zum Thema Glücksspiel beim EuGH anhängig.

Die aktuellen Schlussanträge wurzeln aus Polizeirazzien in Oberösterreich in den Jahren 2012 und 2014. In einer Sportbar in Wels sowie in einem Linzer Gasthaus wurden jeweils Zockautomaten beschlagnahmt und die Betreiber mit Strafen belegt. Sämtliche Bestrafte wehrten sich beim Landesverwaltungsgericht gegen die Strafen – mit dem Argument, sie könnten nicht bestraft werden, weil das Glücksspielgesetz gegen EU-Recht verstoße.

Das Landesverwaltungsgericht rief schließlich wegen einer komplizierten juristischen Fragestellung den EuGH an. Der Linzer Richter ist vereinfacht ausgedrückt der Ansicht, es könne nicht sein, dass die Verwaltungsgerichte in den Glücksspielverfahren Richter und Kläger in einem spielen müssen. Manchmal spielen die Strafverfolgungsbehörden, etwa die Polizei oder die Finanzbehörden, eine "relativ passive" Rolle in den Verwaltungsverfahren, sie kommen also nicht vor Gericht und bringen Beweise zum Beispiel über illegale Automaten vor.

Frage der Beweiserbringung

Die Beweiserbringung ist in diesen Fällen dann Sache des Verwaltungsgerichts. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich will diese Rolle aber nicht einnehmen: Das sogenannte Inquisitionsmodell (Gericht ist gleichzeitig Ankläger) widerspreche den Anforderungen des Grundrechts auf ein faires Verfahren, wie es in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und in der EU-Grundrechtecharta festgelegt ist.

Das sieht die EuGH-Generalanwältin nicht ganz so: Wenn ein Staat Ausnahmen bei einer der EU-Grundfreiheiten macht, wie es Österreich mit seinem Glücksspielmonopol tut, dürfe er auch festlegen, dass das für die Entscheidung über die unionsrechtliche Gültigkeit der Ausnahme zuständige Gericht Verwaltungsübertretungen von Amts wegen zu verfolgen hat.

Aber: Es obliege dem Mitgliedsstaat, der sich auf die Ausnahme berufen will, die Rechtfertigungsgründe für die fragliche Maßnahme vorzutragen. "Unter keinen Umständen" könne das Aufgabe des Gerichts sein. Vertreter der Republik müssen also erklären, warum sie mit der Glücksspielregelung überhaupt die EU-Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit beschneiden. Sollte die Republik keine derartige Rechtfertigung liefern, "darf das nationale Gericht aus diesem Versäumnis die gebotenen Schlussfolgerungen ziehen."

Unabhängige Gutachter

Die EuGH-Generalanwältin stellte dazu weiters klar, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidungsfindung auf unabhängige und unparteiische Sachverständige zurückgreifen können muss. Das ist, sagen Betroffene, in der Praxis nicht immer der Fall, es würde meist nur auf Gutachter aus dem Umfeld des Finanzministeriums gehört.

Auch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wies laut EuGH jedoch in seinem Vorlagebeschluss darauf hin, "dass den Landesverwaltungsgerichten in Österreich keine eigenen unabhängigen Sachverständigen zur Verfügung stehen und dass diese Gerichte primär Amtssachverständige heranzuziehen haben, die dem Dienststand einer nationalen Verwaltungsbehörde (die in der Regel zugleich Partei im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist) angehören."

Die EuGH-Generalanwältin schreibt: "Da die nationalen Verwaltungsgerichte in Österreich ihre Prüfung von Amts wegen durchführen müssen, ist es wahrscheinlich, dass sie zumindest in Fällen mit einem gewissen Schwierigkeitsgrad die Meinung eines oder mehrerer Sachverständiger werden einholen müssen, um sich ein vollständiges Bild machen zu können. Es ist meines Erachtens klar, dass auch diese Sachverständigen unabhängig und unparteiisch sein müssen."

Grundsätzlich stellte die Generalanwältin aus Luxemburg fest: "Obwohl es keine allgemeine Regel gibt, die die Anwesenheit eines Vertreters der Staatsanwaltschaft in dem Verfahren vor diesem Gericht verlangt, ist dessen Anwesenheit im Allgemeinen geeignet, berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit des Gerichts auszuschließen, die andernfalls auftauchen könnten." (APA, 9.3.2017)