Es wäre womöglich keine schlechte Idee, den Kreml mit einer Drehtür nachzurüsten. Derzeit jedenfalls geben sich ausländische Spitzenpolitiker dort die Klinke in die Hand. Am Donnerstag empfing Wladimir Putin zunächst Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel und begrüßte dann Israels Premier Benjamin Netanjahu. Am Abend landete dann auch noch der türkische Präsident Tayyip Erdoğan in Moskau, mit dem Putin am Freitag sprechen will.
Für Gabriel ist es der erste Moskau-Besuch als Außenminister: Beim Treffen mit seinem Amtskollegen Sergej Lawrow warnte er vor einer Neuauflage des Kalten Kriegs und forderte West und Ost zur Abrüstung auf. Lawrow wies den Vorwurf exzessiver Truppenkonzentration zurück. "Wir haben eine andere Statistik", schlug er einen Kräftevergleich zwischen russischen und Nato-Truppen vor. Er erneuerte Einkreisungsängste und beklagte antirussische Stimmungsmache in Europa.
Letzteren Vorwurf hatten russische Behörden kurz vor der Visite durch Statistiken zu belegen versucht: 150.000 Russen seien 2016 aus dem Ausland in die Heimat zurückgekehrt, etwa ein Drittel aus politischen Gründen, so kremlnahe Medien. Ganz schlüssig sind die Zahlen aber nicht, denn der Großteil der Rückkehrer stammt aus der GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten), während Europa nur 30.000 Russen den Rücken kehrten. Zudem wandern weiter viele Russen aus, was die Behörden nicht thematisierten.
Kaum Konsens zum Donbass
Im europäisch-russischen Verhältnis spielt die Ukraine-Krise weiter eine tragende Rolle. Beim Gabriel-Besuch sprachen sich beide Seiten für eine Stärkung der OSZE-Mission im Donbass-Gebiet aus. Ansonsten ist die Beurteilung der Lage in der Ostukraine aber konträr: Moskau sieht hier allein Kiew in der Verantwortung und forderte von der dortigen Regierung, die Blockade der Separatistengebiete einzustellen. Gabriel hingegen forderte auch von Russland mehr Lösungsansätze und erinnerte einmal mehr an die Krim.
Während Gabriel noch mit Lawrow verhandelte, widmete sich Putin zunächst Netanjahu und dem Syrien-Konflikt. Russland hat sich in der Region auch dank massivem Militäreinsatz zum wichtigsten Akteur aufgeschwungen. Zuletzt konnte Moskau die Rückeroberung der antiken Ruinenstadt Palmyra durch von der russischen Luftwaffe unterstützte syrische Regierungstruppen vermelden. Die Stadt stand zuvor monatelang unter Kontrolle der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Und weil Trumps Nahostpolitik immer noch weitgehend unklar ist, finden sich die Bittsteller nun in Moskau ein.
Israel will Irans Rolle einschränken
Israel will vor allem die Rolle des Iran einschränken, den Russland zum Partner in der Syrien-Frage erhoben hat. Die Dauerpräsenz der Revolutionsgarden und der mit ihnen verbündeten Hisbollah wird in Israel mit Sorge gesehen.
Ähnliche Bedenken hegt Erdoğan. Zwar haben Ankara, Moskau und Teheran formal ein Bündnis zur Befriedung Syriens geschlossen, doch die Differenzen zwischen Türken und Iranern sind weiter groß. Immer wieder üben beide Seiten scharfe Kritik aneinander. Für Moskau bleibt es ein Drahtseilakt, die verschiedenen Interessen der Akteure unter einen Hut zu bringen. (André Ballin aus Moskau, 9.3.2017)