Wien – Österreichs Bildungspolitik ist derzeit aus Sicht des Lehrers und promovierten Pädagogen Herbert Molzbichler dominiert von "zeitgeistigem Gerede", "allseits grassierender Neuerungssucht" und "fortlaufender Entwertung des Traditionellen". In seinem aktuellen Buch "Nachsitzen. Österreichisches Bildungssystem am Pranger" fordert er die Rückkehr zu einer "Schule der ganzheitlichen Menschenbildung".

Schlüssige Bildungskonzepte der Politik fehlen in Österreich aus Molzbichlers Sicht, die Politik reagiere unreflektiert auf Zurufe aus der Öffentlichkeit, von (teils selbst ernannten) Experten und internationalen Organisationen wie der OECD, die mit ihren Bildungsvergleichsstudien (neoliberale) Politik machten. "Unreflektierte, unausgewogene, wechselvolle, wenig nachhaltige Maßnahmen resultieren daraus. Die Schulen müssen es ausbaden und ernten die Kritik", urteilt Molzbichler. Trotz ständigen Herumexperimentierens würden Reformen in Österreich aber stets nur an der Oberfläche kratzen, mehr Qualität habe all das nicht gebracht. Schuld sei die "Inszenierungspolitik" in diesem Bereich.

Schule – light gemacht

Molzbichler fordert in dem gut 200-seitigen Band einen anderen Blick auf Bildung, der über kompetenzorientierte Ausbildung hinausgeht und etwa auch Persönlichkeitsentwicklung und demokratisches Bewusstsein umfasst. "Das alles kann nur gelingen, wenn wir dem derzeitigen Trend zu Schule light, Bildung light, Unterricht light, Lernen light, Anstrengung light, alles light, eine klare Absage erteilen."

Schüler müssen aus seiner Sicht wieder von Beginn an mehr gefordert werden, auch durch realistische Bewertung ihrer Leistungen: An den Pflichtschulen müsse Schluss sein mit "Nachsicht, Verwöhnung, Überbehütung" und "Erziehung wieder ernst genommen werden", um Schüler auf die Anforderungen der Berufswelt vorzubereiten. Überhaupt "eine Groteske unseres Zeitgeistes" ist es für Molzbichler, wenn heute ein (Mit-)Versagen des Lehrers angedeutet werde, wenn ein Schüler ein "Nicht Genügend" erhält.

Ruf nach "wirksamen Sanktionsmöglichkeiten"

Außerdem fordert Molzbichler "wirksame Sanktionsmöglichkeiten" bei argen Provokationen und "unflätigen Beschimpfungen" von Schülern. Darüber hinaus müssten die Eltern wieder stärker in die Pflicht genommen werden, ihrem Nachwuchs neben "Nestwärme" auch eine "ordentliche Kinderstube" zu bieten. Die Gesellschaft dürfe die Schule nicht länger zur "Ablagerungs- und Entsorgungsstätte für alle gesellschaftlichen Probleme, Widersprüche oder krisenhaften Entwicklungen" machen.

Organisatorisch sollten in einem kleinen Land wie Österreich alle Agenden in die Hand des Bundes wandern. Statt Geld in "allerlei Experimente, Prestigeprojekte oder auch für zahlreiche Gutachten und Expertisen" zu "verbraten", solle die Politik mehr Mittel in eine gute Ausbildung der Lehrer, Schulleiter, Schulaufsicht, mehr Unterstützungspersonal und zeitgemäße Schulbauten investieren.