Danke an Heinz Berger für seinen wohltuenden Kommentar der anderen vom 6. 3. 2017 ("Kopftuch – die Eskalation eines Kulturkonflikts")!

Die aktuelle, aufgeheizte Kopftuchdiskussion verursacht bei Musliminnen Verwunderung.

Die Debatte über muslimische Frauen scheint sich immer mehr hochzuschaukeln, was einerseits besorgniserregend ist – besonders angesichts der wirklich spürbaren Tendenz zur "fortschreitenden Verrohung der Diskurse" (Berger), andererseits für die betroffenen Frauen schlichtweg nervend sowie entbehrlich ist. Angesichts der aktuellen Aufregung um das Kopftuch können wir nur den Kopf schütteln. Wir fragen uns: Gibt es in Österreich keine anderen Probleme?

Entgegen allen anderslautenden Interpretationsversuchen stellt das Tuch für die meisten Musliminnen dieses Landes – sofern sie eines tragen – einfach einen Bestandteil ihrer Kleidung dar und das Anlegen eines Tuches ist für sie so selbstverständlich wie für andere Frauen vielleicht das Auftragen von Lippenstift, bevor sie das Haus verlassen.

Dass die IGGiÖ eine den ganzen Körper bedeckende Kleidung (Gesicht und Hände ausgenommen) als der muslimischen Glaubenspraxis entsprechende Kleidung definiert, ist wenig überraschend. Die empörten Aufschreie aus der Politik scheinen daher etwas überzogen und müssen sich den Vorwurf der Einmischung in innere religiöse Angelegenheiten gefallen lassen. Kein Mensch würde die Tracht einer Nonne mit Schleier infrage stellen.

Professor Ednan Aslans Forderung nach einer "ganz anderen theologischen Grundlage aus der Gegenwart der Muslime in Europa" im Diskurs pro und kontra Kopftuch ist überaus wünschenswert. Doch darüber hinaus wünschen sich muslimische Frauen auch einfach mehr Ehrlichkeit: Geht es wirklich um (bzw. gegen) das Kopftuch? Um eine Stärkung der Frauen? Oder doch um den Wunsch nach weniger "sichtbarem Islam" in unserer Gesellschaft? Wir Frauen wünschen uns, als Menschen mit vielfältigen Rollen anerkannt zu werden, statt aufgrund einer Äußerlichkeit auf eine einzige, nämlich jene der vermeintlich unterdrückten, unselbständigen, nicht denkfähigen Muslima, reduziert zu werden!

Wir stimmen Heinz Berger aus ganzem Herzen zu in seinem Aufruf nach mehr Dialog, innerhalb der Bevölkerung, unter Nachbarinnen und Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen. Wenn sich alle wieder etwas beruhigt haben nach dieser Beinahe-Kopftuchhysterie, führt daran kein Weg vorbei. Wir sind sicher, dass alle Beteiligten dadurch neue, vielfach überraschend positive Einsichten gewinnen können.

Sigrid Moser-Billouch für die Frauen des Vereins Forum Musliminnen in Tirol. Das Forum, gegründet 2007, ist ein Verein muslimischer Frauen mit und ohne Migrationshintergrund, die in Tirol ihren Lebensmittelpunkt haben. Moser-Billouch studiert Islamische Religionspädagogik an der Universität Innsbruck. (Sigrid Moser-Billouch, 10.3.2017)