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Im englischen Bath erspähte William Herschel 1781 einen Himmelskörper, der sich als siebenter Planet des Sonnensystems entpuppte.

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Uranus, hier auf einer Aufnahme der Raumsonde Voyager 2.

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Unter anderem auch die Entdeckung des Katzenaugennebels im Sternbild Drache am 15. Februar 1786 geht auf Herschels Konto. Im Bild eine Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops.

Foto: NASA/ESA/HEIC/Hubble Heritage Team (STScI/AURA)

Wien – Für William Herschel war es weder unüblich noch unangenehm, die Nächte im Garten seines Hauses zu verbringen. Das hatte nichts mit dem gefeierten Orchester von Bath zu tun, das er seit 1780 leitete, und auch nichts mit seiner prestigeträchtigen Funktion als Organist der dortigen Octagon Chapel. Neben der Musik ging Herschel in der Stadt, die damals zu den wichtigsten kulturellen und gesellschaftlichen Zentren Englands zählte, noch einer zweiten Leidenschaft nach, in der er rückblickend noch weitaus mehr brillierte: der Astronomie.

Ausnahmsweise ohne seine jüngere Schwester Caroline, die sich später selbst als angesehene Astronomin einen Namen machte, harrte Herschel in den klaren Nächten des März 1781 allein in seinem Garten aus. Mit einem selbst hergestellten Spiegelteleskop arbeitete er an einer Himmelsdurchmusterung. Am 13. März, einem Dienstag, etwa eine Stunde vor Mitternacht, fiel ihm dabei ein unbekanntes Objekt im Sternbild Zwillinge auf.

In seinen Aufzeichnungen hielt er unaufgeregt fest: "Pollux (der hellste Stern im Sternbild Zwillinge, Anm.) gefolgt von drei kleinen Sternen. Mars wie gewöhnlich. Nahe Zeta Tauri (ein früher Stern im Sternbild Taurus, Anm.) ist ein seltsamer nebulöser Stern oder vielleicht ein Komet." Die nächsten Einträge in Herschels Buch erfolgten erst zwei Nächte später, doch das unbekannte Objekt fand keine neuerliche Erwähnung.

Planetarer Verdacht

Dass ihm die mysteriöse Sichtung keine Ruhe ließ, geht erst aus den Notizen vom Sonntag, 17. März hervor: "23 Uhr. Ich suchte nach dem Kometen oder nebulösen Stern und entdeckte, dass es ein Komet ist, denn sein Standort hat sich verändert." Noch ahnte Herschel wohl nicht, dass es sich in Wirklichkeit um ein Objekt handelte, dessen schiere Existenz die Astronomie nachhaltig verändern sollte. Wer hätte zu diesem Zeitpunkt auch vermutet, es könnte mehr als die sechs Planeten geben, die schon seit der Antike bekannt waren?

Bei den Beobachtungen der folgenden Wochen, nun wieder gemeinsam mit Caroline, begann Herschel aber doch zu zweifeln. Denn die Bewegungen, das scharf definierte, runde Aussehen des Himmelskörpers und der fehlende Schweif passten nicht so recht zu einem Kometen. In einem Entdeckungsbericht, den er an die Gelehrtengesellschaft Royal Society schickte, sprach er noch vorsichtig von einem Kometen, verglich diesen aber bereits indirekt mit einem Planeten.

Weg zur Anerkennung

Am 23. April 1781 konnte der britische Hofastronom Nevil Maskelyne seine Verblüffung in einem Brief an Herschel nicht mehr verbergen: "Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll. Es könnte ebenso gut ein regulärer Planet in einem nahezu kreisförmigen Orbit um die Sonne sein, wie ein Komet, der sich in einer sehr exzentrischen Ellipse bewegt. Ich habe bisher weder Koma noch Schweif gesehen."

Ein wirklicher "Heureka-Moment" blieb aus, doch nach und nach kamen immer mehr etablierte Astronomen zur Überzeugung, dass Herschel tatsächlich den ersten unbekannten Planeten unseres Sonnensystems seit über tausend Jahren aufgespürt hatte. Aus Deutschland und Frankreich trudelten schon Glückwünsche ein – so ließ etwa Charles Messier, Entdecker etlicher Kometen und Autor des berühmten astronomischen Messier-Katalogs, aus Paris seine Hochachtung ausrichten.

Im Oktober übermittelte dann der finnlandschwedische Astronom Anders Johan Lexell aus Russland die erste Berechnung der Umlaufbahn des Himmelskörpers und sah damit nicht nur bestätigt, dass es sich um einen "großen Planeten" handelte: Er kam zu dem Schluss, dass dieser Planet etwa zweimal so weit entfernt sein müsse wie Saturn, wodurch sich auch die Größe des bekannten Sonnensystems verdoppelte.

Teleskope im Eigenbau

William Herschel, 1738 als Friedrich Wilhelm Herschel in Hannover geboren, war plötzlich eine Weltberühmtheit – und das auf einem Gebiet, mit dem er sich lange Zeit nur nebenbei befasst hatte. Knapp 25 Jahre zuvor war Herschel vor dem Siebenjährigen Krieg aus dem Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg nach England geflohen und hatte sich zunächst als Notenkopist und Organist durchgeschlagen. Bald erhielt er besser bezahlte Stellungen und feilte erfolgreich an seiner Musikerkarriere. Er komponierte etliche Musikstücke, darunter Symphonien und Orgelkonzerte, ehe er die Astronomie für sich entdeckte.

Um selbst astronomische Objekte studieren zu können, befasste er sich ab Ende der 1760er-Jahre mit Spiegelteleskopen. Für sein Vorhaben, eine Liste aller sichtbaren Sterne und Nebel zu erstellen, taugten die damals gängigen Teleskope nicht. Also begann er, unterstützt von Caroline, die ihm 1772 nach England nachgefolgt war, selbst Spiegelteleskope zu bauen. Nach anfänglichen Misserfolgen fertigten die Herschels immer größere, leistungsfähigere Teleskope an, die aufgrund ihrer Qualität eine solche Nachfrage erfuhren, dass sie später auch für den Verkauf produziert wurden.

Unzählige Entdeckungen

Nach der Entdeckung des siebenten Planeten wurde Herschel zum Mitglied der Royal Society gewählt, später auch in die Göttinger Akademie der Wissenschaften und die American Academy of Arts and Sciences aufgenommen. König George III. sprach ihm ein jährliches Gehalt zu, damit er sich ganz der Astronomie widmen könne. Zu dessen Ehren benannte Herschel den Planeten Georgium Sidus, Georgs Stern – nach jahrzehntelangen internationalen Debatten wurde er jedoch später in Uranus umbenannt.

Herschels astronomische Hinterlassenschaften beschränken sich aber keineswegs auf den Fund des Uranus, im Gegenteil: Alle wichtigen Entdeckungen aufzulisten, ist hier aus Platzgründen unmöglich. Darunter befinden sich jedenfalls die beiden Uranusmonde Titania und Oberon und sogar auch schon das Ringsystem des Uranus, was zu Herschels Lebzeiten allerdings als Irrtum galt. Er erspähte die Saturnmonde Mimas und Enceladus, wies jahreszeitliche Veränderungen auf dem Mars nach und bestimmte die Rotationsperiode des Saturn.

Infraroter Zufallsfund

Vor allem aber widmete er sich den "nebligen Objekten" und deren Klassifizierung sowie Doppelsternen und verfasste Kataloge mit tausenden Einträgen. Viele der aufgelisteten Objekte hatte er dank seiner Eigenbauteleskope selbst entdeckt. Quasi nebenbei wies Herschel 1800, als er Filter testete, mit deren Hilfe er Sonnenflecken beobachten wollte, auch noch die Infrarotstrahlung nach.

Am 25. August 1822 starb William Herschel im südenglischen Slough, wo er die letzten Jahrzehnte gelebt und gearbeitet hatte. Auf seinem Grabstein wurde ein lateinischer Satz verewigt, der seine Leistungen poetisch auf den Punkt bringt – Caelorum perrupit claustra, auf Deutsch: Er durchbrach die Grenzen des Himmels.

Heute tragen Krater auf unserem Mond, dem Saturnmond Mimas und dem Mars seinen Namen, ein Asteroid wurde ebenso nach ihm benannt wie das von 2009 bis 2013 aktive Herschel-Infrarotweltraumteleskop. (David Rennert, 13.3.2017)