Im Juni 2016 wurden im Arkadenhof der Universität Wien sieben neue Denkmäler zur Ehrung von Wissenschafterinnen errichtet. An die Romanistin Elise Richter (1865–1943) erinnert hier ein Denkmal der Künstlerin Catrin Bolt.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Das Denkmal im Arkadenhof der Universität Wien erinnert an die Kernphysikerin Lise Meitner (1878–1968) und wurde von Thomas Baumann gestaltet.

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Im April wird Sabine Grenz ihren Dienst in Wien antreten: Die Genderforscherin, die zuletzt als Vertretungsprofessorin für Diversitätsforschung an der Universität Göttingen tätig gewesen ist, wechselt an die Universität Wien – als Professorin für Gender Studies. Die entsprechende Professur ist seit März 2015 unbesetzt und nun als interdisziplinäres Projekt an der Schnittstelle von Sozialwissenschaften, Philosophie, Bildungswissenschaft und Kulturwissenschaften angelegt, befristet auf drei Jahre. Zuletzt war es die Biologin Sigrid Schmitz, die fünf Jahre lang als Professorin für Gender Studies an der Universität Wien lehrte.

"Es handelt sich also erneut um eine Interimslösung. Nach dem Auslaufen der letzten befristeten Professur mussten beinahe 400 StudentInnen des Masterstudiums und des Erweiterungscurriculums Gender Studies ganze zwei Jahre ohne Professur auskommen", kritisiert Karin Stanger (Gras) vom Vorsitzteam der Österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH) der Universität Wien.

Fehlende Professorinnen

Das interdisziplinäre Masterstudium Gender Studies, das in Wien seit dem Studienjahr 2006/2007 angeboten wird, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Innerhalb weniger Jahre hat sich die Zahl der Studierenden verdreifacht: Während im Wintersemester 2010 die Statistik 132 Studierende erfasste, waren es 2016 bereits 392. Feministische Wissenschaft und Gender Studies sind an der Universität Wien dennoch keineswegs unumstritten. Auf Institutsebene sorgte zuletzt die Pensionierung renommierter Professorinnen, die sich auf feministische Theorie spezialisiert hatten, für Machtkämpfe rund um die Nachbesetzungen. "An der Universität Wien gibt es in diesem Feld mehr Kämpfe als an anderen Universitäten, auch wegen der prekären finanziellen Lage", sagte Birgit Sauer, Professorin für Politikwissenschaft, dazu im STANDARD-Interview. Sowohl am Institut für Politikwissenschaft als auch am Institut für Philosophie traten schließlich Professoren ohne Gender-Schwerpunkt die Nachfolge von Eva Kreisky und Herta Nagl-Docekal an.

"Wenn eine Professorin wegfällt – mit Ressourcen, mit Forschungsbudget, mit AssistentInnen –, ist das immer ein großer Einschnitt", sagt die Soziologin Daniela Jauk, die aktuell am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz beschäftigt ist und in den USA promoviert hat. Auch am Grazer Soziologie-Institut verabschiedete sich mit Angelika Wetterer 2014 eine renommierte feministische Professorin in den Ruhestand, die Geschlechterforschung ist dort jedoch strukturell verankert: 2005 wurde am Institut die Professur "Soziologie der Geschlechterverhältnisse" eingerichtet, die bisher die einzige Professur für Geschlechtersoziologie in Österreich geblieben ist.

Debatte über Publizistik-Curriculum

Am Wiener Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sorgt aktuell die geplante Neugestaltung der Curricula für Diskussionen. Quantitative Methoden werden künftig stärker berücksichtigt, während Angebote zu kommunikativen Kompetenzen wegfallen. Aufgrund der Umstrukturierung sind die "Praxisfelder" der historischen sowie feministischen Medien- und Kommunikationsforschung nicht mehr als eigens ausgewiesene Module im Studienplan zu finden. "Es wird sichergestellt, dass regelmäßig Lehrveranstaltungen mit historischen beziehungsweise feministischen Schwerpunkten angeboten werden", ist stattdessen im Curriculum bei den einzelnen Modulen zu lesen.

Ulli Weish, Kommunikationswissenschafterin und externe Lehrbeauftragte am Publizistik-Institut sowie im Masterstudium Gender Studies, beurteilt diese Neugestaltung äußerst kritisch. "Generell wird an der Universität immer weniger Raum für Reflexion geboten, kritische Forschung und Lehre haben im Zuge der Anpassung an den hochkompetitiven internationalen Wissenschaftsbetrieb das Nachsehen", sagt Weish. Die Formulierung zur Sicherstellung des Studienangebots im Bereich der historischen und feministischen Forschung sieht Weish als "freundliche Absichtserklärung".

Widerstand regt sich

Jörg Matthes, der dem Institut seit 2014 vorsteht, verteidigt die Pläne hingegen vehement. Der Werbeforscher legt eine vergleichende Liste mit Lehrveranstaltungen und den dazugehörigen ECTS-Punkten vor und sieht etwa die feministische Medien- und Kommunikationsforschung sogar gestärkt: "Ich führe die Kritik auf ein Missverständnis des Curriculums zurück. Wenn dort steht, dass die Veranstaltungen regelmäßig angeboten werden, dann wird das auch passieren." Während feministische Inhalte im aktuellen Studienplan abwählbar seien, könne sie aufgrund der inhaltlichen Verankerung in einführenden Veranstaltungen künftig "niemand mehr umgehen".

ÖH-Vertreterin Stanger kann dieser Erklärung wenig abgewinnen. Bei einem Treffen mit dem Rektorat soll die Umstrukturierung besprochen werden, am 14. März wird es eine HörerInnenvollversammlung am Publizistik-Institut geben – sowohl von Studierenden als auch von Lehrenden rege sich Widerstand. "Am Beispiel der Publizistik sieht man, dass Zugangsbeschränkungen die Lehre nicht verbessern, wir müssen weg von dem verschulten System von Bologna mit immer mehr Frontalunterricht", sagt Stanger. Die ÖH-Exekutive hatte bereits die mangelnde Finanzierung von Genderlehrveranstaltungen an der Universität Wien massiv kritisiert. "Kritische, feministische Lehre muss an der Universität einen festen und unanfechtbaren Kanon der wissenschaftlichen Auseinandersetzung bilden", sagt Stanger.

Gesellschaftlicher Auftrag

Eva Flicker, Professorin am Institut für Soziologie der Universität Wien, berichtet von einem Rückbau kritischer feministischer Lehre an ihrem Institut, der im Zuge einer Neugestaltung der Studienpläne stattgefunden habe. "Das war ein komplexer Prozess aufgrund der Zusammenlegung zweier Institute. Letztendlich konnte man sich auf Strukturen, aber keine Inhalte einigen, vorher bereits fix im Lehrplan verankerte feministische Theorie und Genderforschung wurden zurückgefahren", erzählt Flicker.

Gerade angesichts des zunehmenden Antigenderismus in der Gesellschaft und der fundierten Kritik an Macht- und Herrschaftsverhältnissen sowie der intersektionalen Perspektive, die feministische Theorie und Gender Studies bieten würden, sei eine breit verankerte Genderforschung über alle Institute hinweg wichtiger denn je, ist die Soziologin überzeugt. "Das wäre ein wichtiger gesellschaftlicher Auftrag der Universität Wien, und entsprechende Unterstützung der Universitätsleitung wäre wünschenswert", sagt Flicker.

Nachholbedarf beim Frauenanteil

Auf die Frage nach der Bedeutung von Geschlechterforschung für die Universität Wien antwortet Cornelia Blum, Sprecherin des Rektorats, dass "das Thema nicht nur in der sozialwissenschaftlichen Fakultät, sondern auch in anderen Fakultäten bei den Forschungsschwerpunkten, etwa in den Rechtswissenschaften, aber auch an der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät" zu finden sei. Dieser Umstand sei wiederum Teil des Entwicklungsplans der Universität Wien.

Nachholbedarf hat die Universität Wien indes auch beim Frauenanteil am wissenschaftlichen Personal. "Die Universität wird in Sachen Gleichstellung oft als vorbildlich dargestellt, aber das stimmt einfach nicht, wenn man sich zum Beispiel die Geschlechterstatistik bei den Professuren anschaut. Die Uni Wien ist eine Männeruni – fast drei Viertel aller ProfessorInnen sind Männer, und seit dem Bestehen hat es noch nie eine Rektorin gegeben", sagt Karin Stanger. Bemühungen um eine öffentliche Thematisierung wie zuletzt im Rahmen der Feierlichkeiten zum 650-Jahr-Jubiläum der Universität Wien seien begrüßenswert. "Letztendlich reicht es aber nicht, ein paar Statuen im Hof aufzustellen", sagt die ÖH-Vorsitzende. (Brigitte Theißl, 13.3.2017)