Wien – Der sogenannte Islamische Staat (IS) ruft über sein Magazin" "Rumiyah dazu auf, Imame des Kufrs (des Unglaubens) in Deutschland und Österreich zu ermorden. Diese wären "Abtrünnige" oder "Gelehrte des Übels", weil es "nur eine einzige richtige Religion" gebe – und wer die verlasse, wäre eben ein Kufr, auch wenn er Muslim sei.

Das berichten unter anderem der "Kurier" (Freitagsausgabe) und die Kronen Zeitung" (Samstagsausgabe). Das IS-Blatt nennt auch eine Handvoll prominenter österreichischer Muslime beim Namen. Die betreffenden Mitglieder "der unislamischen Glaubensgemeinschaft" wären Murtadd – also "vom Glauben abgefallen" – und hätten sich schuldig gemacht, "zur Religion der Demokratie" aufzurufen und die Kufr-Integration zu fördern, heißt es in dem Mordaufruf. Ihre Tötung sei wichtiger "als die Tötung der Kreuzzügler selbst".

Deshalb wird gefordert, diese Personen "zu schlachten, sie in die Luft zu sprengen oder mit dem Auto zu überfahren". Es gelte, "die Mudschaheddin des IS" zu unterstützen und den vermeintlich Abtrünnigen die "Köpfe abzuschneiden".

Der Verfassungsschutz nimmt die Drohungen ernst. "Natürlich sehen wir das. Entsprechende Aufrufe sind seit Längerem feststellbar. Vor allem in sozialen Medien", sagt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums laut "Kurier". Man habe entsprechende Maßnahmen ergriffen und würde die Drohungen "individuell bewerten". Welche Maßnahmen das genau sind, darüber hält sich das Ministerium bedeckt.

Dem "Kurier" schildern die Betroffenen ihre Lage. Er sei einerseits verunsichert und habe "ein mulmiges Gefühl", andererseits aber wenig überrascht, erklärt ein Imam. "Ich habe schon mit so etwas gerechnet, ich wurde in einschlägigen Foren gelegentlich als Kafir (als Ungläubiger) bezeichnet", sagt er.

Die Drohung sei für ihn aber auch "Bestätigung, dass mein Kampf für Aufklärung und gegen Extremismus sowie gegen die Gesinnung des sogenannten Islamischen Staats dem IS wehtut". Die derzeitige Situation sei zwar unerfreulich, bestärke ihn aber in der Überzeugung, "dass es gilt, gegen extremistische Tendenzen gesellschaftlich, politisch und theologisch einzutreten". Nachsatz: "Ich bereue nichts. Da muss man durch."Der Geistliche vermutet, dass der IS nicht selbst zur Tat schreiten werde, sondern "Nachahmungstäter ansprechen möchte".

Ernst nimmt man die Drohungen auch bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ). Präsident Ibrahim Olgun will "zum Schutz unserer Mitglieder" schnellstmöglich mit den Sicherheitsbehörden in Kontakt treten und eine "gemeinsame Lösung" suchen. Über den IS sagt der Theologe: "Unsere Religion akzeptiert keinen Terror. Der IS vertritt den Islam nicht, er hat mit unserer Religion nichts zu tun. Wer einen Menschen tötet, tötet die gesamte Menschheit."

Terror-Anleitungen Das Online-Magazin des IS trägt den Titel Rumiyah, die arabische Bezeichnung für "Rom". Seit September 2016 wird es über Download-Links in den Social-Media-Kanälen des IS verbreitet. Es erscheint in mehreren Sprachen – in Deutsch, Englisch, Russisch, Türkisch, Französisch, Uigurisch, Paschtu und Indonesisch. Darin werden unter anderem Märtyrer porträtiert und es wird ausführlich über das Töten der "Ungläubigen" geschrieben. Unter anderem gab es Tipps für Anschläge mit Lkw. Der mittlerweile in Syrien getötete frühere IS- Sprecher Abu Mohammed al- Adnani hatte Anhänger der Jihadisten vor rund zwei Jahren aufgerufen, als "einsame Wölfe" Attentate zu verüben.

Terror-Experte Nicolas Stockhammer von der Universität Wien und der Landesverteidigungsakademie erklärte laut "Kurier" (Samstagsausgabe) das strategische Ziel des IS so: "Es geht um die Interpretationshoheit der Dschihadisten über den Islam und letztlich um eine beabsichtigte Spaltung der Gesellschaft. Indem der moderate Mainstream zum Schweigen gebracht wird, soll das Bild vermittelt werden, dass es nur noch einen radikalen Islam, nur noch islamistische Tendenzen gibt. Wenn sich dann die Mehrheit der Gesellschaft in unseren Breiten gegen den Islam solidarisiert, treibt das genau jene Spirale der Polarisierung an, die es dem IS ermöglicht, wieder eigene Anhänger zu mobilisieren."

Aufrufe wie den aktuellen müsse man ernst nehmen, meint Stockhammer. Als große Gefahr sieht er aber vor allem "die Selbstradikalisierung von Einzeltätern". Eine organisierte Aktion vermutet er hinter Mordaufrufen wie diesem aber nicht. Nach Einschätzung des Experten ist Österreich punkto Terrorgefahr längst keine Insel der Seligen mehr. "Drohungen gab es immer wieder", sagt er. "Österreich ist ein Thema. Ich erinnere nur an Mohammed M., der in den Führungskaders des IS war. Da kann man schon davon ausgehen, dass Österreich auch im Visier etwaiger strategischer Angriffe ist. Österreich ist nicht so unbedeutend, wie das gemeinhin angenommen wird." Eine hohe Gefahr sieht Stockhammer in Personen, die sich radikalisieren. Wobei insbesondere das Internet "Hort der Radikalisierung" sei. (APA, 10.3.2017)