In einer Flut von Blütenblättern soll der römische Kaiser Elagabal die Gäste auf einem seiner Bankette ermordet haben: Lawrence Alma-Tademas "The Roses of Heliogabalus" (1888).

Foto: Arturo Piera

Wien – Der Philosoph und Künstler John Ruskin nannte ihn den "schlechtesten Maler des 19. Jahrhunderts". Der Zeitgenosse war mit dieser Ansicht jedoch die Ausnahme. Im Hofstaat Queen Victorias riss man sich um die Bilder von Lawrence Alma-Tadema (1836-1912). Ja, der Friese, der in Antwerpen gelernt hatte und 1870 nach London gekommen war, stieg hier zu einer Art Superstar auf. Sein Métier: die malerische Wiedererweckung der römischen und griechischen Antike.

In akribisch recherchierten, ungemein detailgenauen Bildern ließ Alma-Tadema, dieser Archäologe mit dem Pinsel, das alte Rom, Pompeij und Ägypten aufleben. Historischer Begebenheiten nahm er sich an, aber auch ganz alltäglicher Szenen von der Straße, schuf Bilder quasi "zum Betreten". Besonderen Anklang fanden auch sonnenlichtdurchflutete, mediterrane Visionen von müßiggehenden Reichen und Schönen. Von Patrizierfrauen etwa, die sich in der Villa am Meer mit "Pool" an exotischen Karpfen erfreuen (Silberne Lieblinge, 1903). Mit derlei Illusionen identifizierte sich die viktorianische Elite gern.

Weitergetragene Visionen

Darein eintauchen kann man aktuell im Belvedere. Dekadenz & Antike, so lautet der Untertitel jener in Kooperation mit dem niederländischen Fries-Museum entstandenen Ausstellung, in der Alma-Tadema jetzt wiederzuentdecken ist. Tatsächlich nämlich war er nach seinem Tod vorübergehend unpopulär geworden, seine Bilder als Kitsch verrufen. Erst in jüngerer Zeit wird Alma-Tadema wiederentdeckt, 2010 wurde eines seiner Hauptwerke, das Ägypten-Gemälde Die Auffindung des Moses, um knapp 36 Millionen Dollar versteigert.

"The Finding of Moses" (1904)
Foto: Privatsammlung, Courtesy Christie’s Opus CCCLXXVII

Alma-Tademas Visionen waren indes, im Gegensatz zu seinem Namen, stets im kulturellen Gedächtnis präsent geblieben. So eindrucksvoll und glaubhaft waren sie nämlich, dass Filmregisseure aller Generationen darauf zurückgriffen, wenn sie die Antike beschworen. Vom Stummfilm Quo Vadis? (1913) über Ben Hur (1959) bis herauf zu Gladiator (2000) reicht die Liste von Produktionen, die sich direkt von ihm inspirieren ließen. Eine Gegenüberstellung von Filmschnipseln mit Gemälden bildet den Abschluss der Ausstellung.

Salonier und Illusionist

Zunächst nähert man sich aber der Lebenswelt Alma-Tademas, atmet die Atmosphäre jener Künstlervilla, die er in London mit seiner zweiten Frau und den Töchtern aus erster Ehe bewohnte. Antikisierend gestaltet, diente die Architektur dem Künstler immer wieder als direkte Vorlage für Gemälde. Empfänge und Abendessen für einen illustren Künstler- und Freundeskreis gab der Meister der antiken Illusionen hier; manche Vorlagen für seine Bilder wurden direkt hier inszeniert.

"Coign of Vantage" (dt. etwa "Günstiger Standpunkt"), 1895

Zu sehen ist in der Schau dabei auch Originalinventar des Künstlers, etwa eine Staffelei oder eine Sitzbank. Ein kleineres Kapitel widmet sich dem Kunstschaffen Laura Alma-Tademas, des Künstlers zweiter Ehefrau, mit der er immer wieder zu archäologischen Ausgrabungsstätten reiste. Ansonsten spannt sich der Bogen von den Anfängen von Alma-Tademas Karriere, da er sich vor allem mit mittelalterlichen Szenen beschäftigte, bis hin zur späten Faszination für Ägypten.

Besonders eindrucksvoll ist ein Gemälde des Kapitels "Liebe, Muße und Dekadenz", The Roses of Heliogabalus (1888). Der Maler nahm sich darin jener Überlieferung an, wonach der römische Kaiser Elegabal den Besuchern eines seiner Bankette einen denkbar dekadenten Tod bereitet habe: Er ließ eine Flut von Blütenblättern über sie hereinbrechen, unter der einige erstickten. Fast meint man ob Alma-Tademas sinnlicher Darstellung, die Blütenblätter riechen zu können. (Roman Gerold, 13.3.2017)