1. Fix und fertig: "Furche", "Krone", ATV und "So samma"

Manchmal geht es ganz schnell. Lichtgeschwind geradezu. Jedenfalls geschwinder als gedacht (aber nicht immer lichter).

Da schnürte "Die Furche" doch tatsächlich schon vorigen Donnerstag ihre letzten Binkerln und zog vom Lobkowitz in Wien 1 zur großen Konzernschwester "Die Presse" in die Hainburger Straße im dritten Wiener Gemeindebezirk, wo seit dem Abschied vom "Wirtschaftsblatt" etwas Platz frei ist.

Servus TV machte rascher als erwartet sein Österreich-Quiz für den Hauptabend ("Homo Austriacus" alias "So samma") offiziell.

Die drei Schiedsrichter im "Krone"-Streit entschieden nach ein paar teuren Jahren des Befragens und Verhandelns, des Abwägens und Verschiebens ganz fix – just am Geburtstag des Beklagtenvertreters Christoph Dichand, und dann auch noch rundum zu Dichands Gunsten.

Und die ohnehin schon sehr entschlossen wirkende Wettbewerbsbehörde legte mit ProSiebenSat1Puls4-Chef Markus Breitenecker noch einen Zahn zu, auch bei den Auflagen, und brachte die Übernahme von ATV und ATV 2 unter Dach und Fach, ohne ein Kartellgericht damit zu behelligen. Ruck-Zuck, quasi.

2. Sozialplan und Definitionsfrage

Ein Sozialplan für ATV wurde nach STANDARD-Infos gleich ruck-zuck mit den Gesprächen mit der Wettbewerbsbehörde verhandelt. Mit raschem Jobabbau beim ersten bundesweiten Privatsender des Landes ist also rasch zu rechnen.

Markus Breitenecker soll ProSiebenSat1Puls4 nun unzweifelhaft als nicht marktbeherrschend sehen.
Foto: ProSiebenSat.1 PULS 4 / Bernhard Eder

Aber vielleicht gefiel auch nur dem einen oder anderen Beteiligten lichtgeschwind als Eigenschaftswort. Wem das Adjektiv marktbeherrschend gar nicht gefällt, ist indes deutlich klarer: Für ProSiebenSat1Puls4ATV-Chef Breitenecker, so höre ich jedenfalls, ist mit dem Okay der Wettbewerbsbehörden zur Fusion des größten zum allergrößten Privatfernsehkonzern in Österreich klar und erwiesen, dass ProSiebenSat1Puls4 nicht marktbeherrrschend ist.

Wenn dieses Hörensagen stimmt, muss ich mich fragen: Warum haben Wettbewerbsbehörde und Kartellanwalt dann eigentlich an die sechs Seiten recht detaillierter Auflagen für diese Übernahme erteilt?

3. Wie könnte der ORF den ATV-Deal nützen?

Aber diese kleine, dreckige Kolumne ist ja kein Rätselblog, die Etat-Wochenschau widmet sich ja der spekulativen Vorausschau, welche Wochensau sich nun wieder durchs Dorf treiben ließe. Zum Beispiel über den Küniglberg. Nein, die gewiss spannende Redakteursversammlung zu Alexander Wrabetz' Plänen für Channel Manager (und ihre Besetzung) ist erst nächste Woche angesetzt.

Schließen wir lieber an den großen ATV-Deal an und fragen uns: Könnte der womöglich dem ORF helfen? Klingt paradox, wenn sich ein Fernsehkonzern formieren darf, der da und dort schon den – zweifellos marktbeherrschenden – ORF überholt? Aber nicht ausgeschlossen, dass die Politik ein Quantum Trost (Noch-Eigentümer Herbert Kloiber gönnte Bond-Filme gern ATV) spendet.

Der ORF wünschte sich im ATV-Verfahren sehnlich strenge Vorgaben für Sublizenzierungen auch an Mitbewerber, wenn die deutsche Mutter ProSiebenSat1 große Hollywoodrechtepakete in Bausch und Bogen für Österreich mitkauft. Und der ORF hoffte auf mildere Umstände bei der Promotion etwa für ORF 3 in seinen Hauptkanälen, die Wettbewerbs- und Medienbehörde einst beim Start des Info- und Kulturkanals massiv einschränkten. Aber auch für ORF Sport Plus, ein öffentlich-rechtlicheres Flimmit und vielleicht gar für ORF-Radios im ORF-Fernsehen würden Promotionmöglichkeiten wohl gern genommen.

Da könnte die eine oder andere tröstende Änderung des ORF-Gesetzes helfen. Wie auch bei ORF-Wünschen nach einem Bewegtbildkanal für Ö3 und für einen jüngeren Radioableger ovn namens Ö3X, gegen Kronehit und zumindest vorerst im (gerade ausgeschriebenen) Digitalradiostandard DAB+. Und eine Änderung des ORF-Gesetzes lässt sich durchaus absehen, wenn keine Nationalratswahlen dazwischenkommen. Ein neues ORF-Gesetz ist jedenfalls viel weniger spekulativ als diese schönen Möglichkeiten für den ORF.

4. Räte, Ratgeber, Rätselraten

Immerhin ist – derzeit: Anfang April – mit einer ORF-Enquete zu rechnen, für die sich Medienminister Thomas Drozda (SPÖ) ein paar Schlüsselthemen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorgenommen hat: Finanzierung (Gebührenverfahren zum Beispiel), ORF-Auftrag und ORF-Gremien – da geht es stets um Verkleinerung des Kuratoriums, Stiftungsrats oder wie immer das Entscheidungsorgan fürs Große noch heißen könnte.

Bisher scheiterten große Ambitionen zur Verkleinerung stets an der Zahl der Bundesländer, von denen jedes mit Sitz und Stimme mitspielen will – zur Absicherung des ländlichen Einflusses bei der Bestellung des Landesdirektors. Aber manchmal geht es dann doch ganz geschwind mit dem Unerwarteten.

Medienminister Drozda lässt sich in Medienfragen von einem Mann beraten, der einige praktische Erfahrung in dem Bereich hat: Karl Krammer, Unternehmensberater, davor Kabinettchef von Franz Vranitzky, und bis 2010, bis Werner Faymann seinen Wahlkampfberater von 2008 kalt abservierte, Sprecher des "Freundeskreises" der roten ORF-Stiftungsräte. In Medienfragen wie der gerade anstehenden Verbreiterung der Presseförderung wie auch in Sachen ORF.

Mehr Interesse am Sinn für den ORF als an mancher Parteilinie: Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger, Sprecher der roten Stiftungsräte.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Vielleicht fällt Krammers Name in diesen Tagen wieder da und dort, wo Sozialdemokraten und andere über den roten Fraktionsvorsitzenden, pardon, Freundeskreissprecher im Stiftungsrat nachdenken. Aus Partei-Perspektive wirkt die Freude über Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger nicht ganz ungetrübt. Vielleicht, weil Fenninger mehr interessiert, was er als richtig für den ORF erkennt, und weniger, was die SPÖ richtig für den ORF findet – oder eine andere Partei. Fenninger setzte sich im September 2016 für die ORF-interne Fachlösung für den Finanzdirektor ein – und gegen Wünsche/Deals mit der ÖVP. Und Fenninger meldete nach STANDARD-Infos im Freundeskreis doch deutliche Bedenken gegen den durchgriffsfreudigen Sozialdemokraten Roland Brunhofer als Channel Manager von ORF 2 an.

Da wird nun munter spekuliert über mögliche Nachfolger – etwa Berater Heinz Lederer, der 2007 Seit' an Seit' mit Thomas Drozda auf einem roten Regierungsticket in den ORF-Stiftungsrat entsandt wurde.

Etwa Josef Kirchberger (Art for Art), der 2012 roter Freundeskreissprecher wurde, als die roten Räte den Parteiwunschkandidaten Dietmar Hoscher als Sprecher ablehnten. Hoscher ist inzwischen Vorsitzender des Stiftungsrats. Kirchberger hat bisher niemand gefragt, ob er die Funktion wieder übernahmen möchte, erklärt er auf Anfrage.

Oder eben auch Krammer, auch mit Drozda im Stiftungsrat. Krammer sagt, er wisse weder von Ablöseideen für den amtierenden Freundeskreisleiter, noch habe ihn jemand gefragt. Krammer klingt nicht, als wollte er seinen langjährigen Nebenjob in der alten Form wiederhaben. Aber – reine Spekulation – vielleicht würde Krammer ja ein neu gestalteter ORF-Aufsichtsrat reizen.

Und wenn Sie sich jetzt fragen, warum Sie der rote Freundeskreis im ORF-Stiftungsrat interessieren könnte: Die Mitglieder der "Freundeskreise" stimmen sich ab, wie sie im Stiftungsrat stimmen – zum Beispiel über den nächsten ORF-General, die Direktoren, über das Budget, das Programmschema, oder auch (noch) über die Höhe der ORF-Gebühr.

Ob Krammer, Kirchberger, Lederer: Alle drei müssten erst einmal in den Stiftungsrat kommen, um einen Freundeskreis zu leiten. Dafür müssten Mitglieder des Stiftungsrats ihr Mandat freiwillig räumen. Oder: Nach Wahlen, etwa zum Nationalrat, und neuer Regierungsbildung können die jeweiligen Mandate neu beschickt werden. Oder: Ein neues ORF-Gesetz ersetzt den Stiftungsrat durch ein neues, womöglich kleineres Gremium – da werden dann gern auch gleich ORF-Generäle neu gewählt.

Sowas geht üblicherweise nicht lichtgeschwind. Aber da möchte ich mich nach ATV, "Krone" und "Furche" nicht so festlegen.

5. Eine SPÖ-Sektion gegen "Österreich" und "Heute"

Geradezu lichtgeschwind indes steht dieses Thema an: Die Bezirkskonferenz der SPÖ Alsergrund soll am Montag über den Antrag der Sektion 8 entscheiden, Entnahmeboxen für Gratiszeitungen in U-Bahn-Stationen und im öffentlichen Raum zu verbieten. Die kritische SPÖ-Sektion begründet das aus ihrer Sicht so: ""Anstatt einer umfassenden, faktenbasierten oder zumindest korrekten Berichterstattung finden sich Alarmismus, Hetze gegen Minderheiten, Suggestion und oftmals schlicht falsche bzw. erfundene Artikel."

Die Bezirkskonferenz der SPÖ Alsergrund entscheidet natürlich noch nicht über ein Verbot von Entnahmeboxen: Mit ihrem Segen wird der Antrag der nächsten SPÖ-Landesparteikonferenz vorgelegt. Und die wiederum könnte das zur Parteilinie der Wiener Bürgermeisterpartei machen. Wenn ich den nicht ganz lichtgeschwinden Partei-Instanzenzug recht verstehe.

6. Durch Schweigen zur ORF-Gebührenerhöhung

Wer am richtigen Punkt schweigt, erhöht seine Chancen, weiterhin als Philosoph anerkannt zu werden – so jedenfalls meine rudimentäre Erinnerung an den Lateinunterricht. Schweigen kann sich aber auch profaner richtig auszahlen – in zweistelliger Millionenhöhe.

Wenn die Medienbehörde bis Donnerstagmitternacht schweigt, kann ORF-Chef Alexander Wrabetz fix mit 6,5 Prozent höheren GIS-Gebühren ab Mai kalkulieren.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Zum Beispiel für den ORF: Die Medienbehörde KommAustria entscheidet derzeit als letzte Stelle, ob bei der Erhöhung der ORF-Gebühren eh alles mit rechten Dingen zugeht. Wenn sie drei Monate lang schweigt, dann ist die Erhöhung um 6,5 Prozent ab Mai fix, die Stiftungs- und Publikumsrat im Dezember beschlossen haben.

Zum letzten Mal in dieser Form, versicherten Medienminister Drozda und ÖVP-Mediensprecher Werner Amon damals – siehe ORF-Enquete.

Bis 16. März um 24 Uhr müsste die Behörde (laut Sprecher Andreas Kunigk) schweigen, damit die 6,5 Prozent mehr ab Mai anfallen, also bis Donnerstagmitternacht. Bis Montagfrüh jedenfalls war keine gegenteilige Entscheidung der KommAustria veröffentlicht.

Für den ORF bedeuten diese 6,5 Prozent ab Mai heuer – grob – an die 30 Millionen Euro mehr (auf 628 Millionen aus Gebühren), ab 2018 dann an die 40 Millionen Euro mehr als vor der Erhöhung. Damit sollten sich der eine oder andere Channel Manager mehr schon ausgehen. (Harald Fidler, 13.3.2017)