Ärztedemonstration gegen die Gesundheitsreform in Wien.

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Die österreichischen Ärztekammern begrüßen die neue Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner mit einem Frontalangriff auf die geplanten Primärversorgungseinheiten (PVE) – meist Primärversorgungszentren genannt. Dabei stehen auch Streikdrohungen im Raum, für die allein die Ärztekammer Wien mit einem 24-Millionen-Euro-Fonds gerüstet ist.

Die Argumente der Ärztevertreter gegen die geplante Strukturreform laufen vor allem auf eines heraus: Die neuen Zentren würden aus freiberuflichen und selbstverantwortlichen Hausärzten angestellte Facharbeiter machen und damit den Berufsstand zerstören. So würden dann die Krankenkassen die Kontrolle über die Ordinationen erlangen. Und als besondere Warnung wird hinzugefügt, dass dann – noch schlimmer – Konzerne diese Zentren kaufen, gewinnorientiert betreiben und wieder verkaufen könnten.

Es geht um Kammerinteressen

Es ist auffallend, dass in den mündlichen und schriftlichen Aussagen der führenden Ärztevertreter – so etwa des Vizepräsidenten der Wiener Ärztekammer, Johannes Steinhart, der nun Präsident werden möchte – das Interesse der Patienten immer nur am Rande vorkommt. Es geht ihnen ganz offensichtlich vor allem um die Eigeninteressen der Kammer.

Und sogar hier muss man sich fragen – die Interessen der Mediziner oder der Kammer? Es ist nicht klar, dass der durchschnittliche Arzt als Angestellter wirklich schlechtergestellt wäre. Ein regelmäßiges Gehalt, kein finanzielles Risiko, ein Chef, der Entscheidungen und Verantwortung abnimmt – das sind Bedingungen, die sich viele Menschen wünschen.

Und dass der freiberufliche Hausarzt doch kein so attraktiver Beruf ist, zeigt sich schon allein daran, dass es schwer ist, Nachfolger für pensionierte Hausärzte zu finden – vor allem außerhalb der Ballungszentren.

Der Hausarzt ist nicht alles

Aber selbst wenn viele Jungmediziner darauf drängen würden, eines Tages eine traditionelle Kassenordination aufzumachen, ist es fraglich, ob der Hausarzt das beste Modell für die Zukunft der medizinischen Versorgung ist. Ein gut organisiertes Ärztezentrum, das dann offen hat, wenn die Menschen krank werden, und wo viele Leistungen unter einem Dach erbracht werden können, ist für viele Patienten attraktiver als der noch so sympathische Hausarzt, der oft erst wieder an einen Facharzt überweisen muss.

Nun hat die Ärztekammer nichts gegen Gruppenpraxen, weil dort nur Freiberufler und keine angestellten Mediziner arbeiten. Doch auch hier hat sie vor allem ihr Eigeninteresse – nämlich die Zukunft der Standesvertretung – und nicht die medizinische Versorgung im Sinne. Gruppenpraxen sind oft schlecht gemanagt, wenn sich die beteiligten Ärzte nicht einigen können, und die Ärzte-GmbH hat sich überhaupt als Rohrkrepierer erwiesen.

Auch Ordinationen sind gewinnorientiert

Die lauteste Warnung der Ärztekammer richtet sich daher gegen die Beteiligung von gewinnorientierten Investoren und Konzernen an zukünftigen Zentren. Hier kommt der Gesetzgeber den Kritikern entgegen, indem er beherrschende Beteiligungen verhindern will.

Doch auch hier sind die Argumente fragwürdig. Jede Ordination arbeitet gewinnorientiert, jeder Arzt muss wie ein Investor auf das eingesetzte Kapital eine Rendite verdienen. Sonst könnte er seine Kredite nicht bezahlen.

Es spricht nichts dagegen, wenn medizinische Leistungen auch bei der Primärversorgung von privater und unternehmerischer Hand geliefert werden, so wie es bereits in Kliniken und Ambulatorien der Fall ist. Natürlich müssen solche Betriebe auf Qualität kontrolliert werden, aber das gilt genauso für jeden Hausarzt.

Warum keine ausländische Kette?

Selbst eine ausländische Kette von Kleinkliniken könnte genauso gute und noch bessere Leistungen bieten als die heimischen Hausärzte. Und tut sie es nicht, wird sie rasch wieder zusperren.

Der einzige Verlierer einer solchen Entwicklung wäre die Ärztekammer, die Mitglieder und Macht einbüßen würde. Kein Wunder, dass ihre Funktionäre mit solcher Verbissenheit die Gesundheitsreform bekämpfen. (Eric Frey, 14.3.2017)