Wien landete auch in der heurigen 19. Ausgabe der "Quality of Living"-Studie ganz oben auf der Liste.

Foto: Wiener Linien/Johannes Zinner

Die vordersten und hintersten zehn Plätze der Welt.

Grafik: Mercer

Die fünf höchstgereihten Städte nach Region.

Grafik: Mercer

Mercers Imagevideo mit den Spitzenplätzen.

Mercer Insights

Wien – Sie wird Jahr für Jahr von der Wiener Rathauskoalition unhinterfragt als Bestätigung ihrer Arbeit interpretiert und von der Opposition unhinterfragt abqualifiziert: die "Quality of Living"-Studie von Mercer, an deren Spitze Wien heuer zum achten Mal in Folge steht. In der am Dienstag veröffentlichten Erhebung bescheinigt das internationale Beratungsunternehmen keiner der 231 untersuchten Metropolen der Welt eine höhere Lebensqualität als der österreichischen Hauptstadt.

Als "wenig aussagekräftige Managerstudie" und "Befragung ausländischer Spitzenkräfte", die nur die Lebensqualität "hochbezahlter Top-Angestellter" berücksichtige, bezeichneten verschiedene Lokalpolitiker der ÖVP und FPÖ die Studie in der Vergangenheit. SPÖ und Grüne würden sie zweckentfremden, um "gravierende Missstände schönzufärben". Tatsächlich nennen Vertreter der Stadtregierung das Studienergebnis regelmäßig ein "Top-Zeugnis" und einen "wichtigen Ausweis für die hohen Standards", auf die man stolz sein könne.

Sekundärforschung statt Umfrage

Handelt es sich nun wirklich nur um eine Umfrage unter Managern, die sich nicht auf den Lebensalltag der "regulären" Bewohner umlegen lässt? Zielgruppe der Studie sind jedenfalls internationale Unternehmen, die Anhaltspunkte suchen, in welchen Städten sie Standorte aufbauen und wohin sie Mitarbeiter entsenden sollen. Es sei aber keine Umfrage und ziele nicht auf Manager ab, erklärt Steffen Zwink von Mercer dem STANDARD.

Laut dem internationalen Studienverantwortlichen Slagin Parakatil "basieren 98 Prozent der Analyse" auf Sekundärforschung unabhängiger Daten von örtlichen und staatlichen Behörden oder Institutionen wie der Uno. So werde unter anderem erhoben, welche Luftqualität in einer Stadt herrscht, wie verlässlich die Wasser- und Energieversorgung, der öffentliche Verkehr und die Kommunikationsmittel sind und wie hoch die Kriminalitätsrate. "Nein", sagt Zwink, die Studie lässt sich nicht nur auf gutverdienende Spitzenmanager anwenden. "Infrastruktur, Gesundheitsversorgung, Freizeitangebot, innere Sicherheit et cetera sind sicher für alle Einwohner relevant, wobei die tatsächliche Wichtigkeit von Person zu Person verschieden sein wird."

Schulen und Wohnen als Ausreißer

Heruntergebrochen auf zehn Kategorien und 39 Kriterien untersuchen Parakatil und seine Kollegen die Städte auf ihre Lebensqualität. Laut Zwink sind nur zwei der 39 Kategorien etwas stärker auf Expatriates ausgelegt, also Mitarbeiter, die von ihren Arbeitgebern für einen meist begrenzten Zeitraum in eine fremde Stadt geschickt werden: die Wohnsituation, da manche Unternehmen die Unterkünfte subventionieren, und die breitere Verfügbarkeit von Unterrichtssprachen in Schulen.

Diese beiden Punkte werden allerdings nur mit in Summe 8,5 Prozent am Gesamtergebnis gewichtet. Auf das politische und soziale Umfeld, das Gesundheitssysstem, die öffentliche Infrastruktur, Konsumgüter und Freizeit entfallen hingegen mehr als drei Viertel der Gewichtung. Ein stärkerer Fokus auf das Wohnen dürfte den Wiener Spitzenplatz sogar verfestigen, da die Immobilienpreise trotz Anstiegs in den vergangenen Jahren im internationalen Vergleich noch immer niedrig sind.

Auch Zürich und Auckland auf dem Podest

Wie kommt es nun, dass Stadtpolitiker bei der Studie häufig von einer reinen Umfrage sprechen? Die wahrscheinlichste Antwort: Sie wissen es nicht besser. Im Mercer-Büro kann man sich nicht erinnern, in den vergangenen Jahren Anfragen von Politikern erhalten zu haben, die mehr über die Methoden erfahren wollten. Zurück geht die Annahme einer Befragung womöglich auf die zwei Prozent, die bei Parakatils Rechnung auf die vollen hundert fehlen: In jeder Stadt wird ein einzelner Expat gebeten, die Richtigkeit der am Schreibtisch erhobenen Ergebnisse einzuschätzen. Daraus wird in manchen Aussendungen eine "Managerumfrage".

Hinter Wien landeten in der aktuellen 19. Ausgabe der Studie übrigens Zürich und Auckland (Neuseeland) auf dem Podest. Auf den weiteren Plätzen rangieren die deutschen Metropolen München und Düsseldorf, zwischen die sich Vancouver (Kanada) geschoben hat, sowie Frankfurt. Genf, Kopenhagen und Basel vervollständigen die ersten zehn. Wichtig zur Einordnung des Rankings sei auch zu wissen, so Zwink, "dass die Top-Städte sehr, sehr dicht beieinander liegen. Unterschiede gibt es hier teilweise und je nach Kategorie nur in den Nachkommastellen."

Am Ende der Liste steht wie schon im Vorjahr die irakische Hauptstadt Bagdad, noch hinter Sanaa (Jemen) und Bangui (Zentralafrikanische Republik). (Michael Matzenberger, 14.3.2017)