An Mut und Anspruch fehlt es nicht: Aus einem Tschocherl in Wien-Margareten wurde das ambitionierte "Roots".

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das rosa gebratene, knusprige Filet vom hofeigenen Huhn gelingt monumental gut. Dazu gibt es eine mürbe Scheibe vom Kürbis und fruchtige Salsa mit Kürbiskernöl.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Koch ist aus Italien, der Restaurantleiter via Thüringen aus dem Salzkammergut, den Sommelier und Querverbinder zum familieneigenen Bauernhof macht ein ungarischer Slowake. Das klingt exakt nach jener Art von Kooperation, die wir in herausfordernden Zeiten brauchen. Die drei verantworten den jüngsten Neuzugang einer auch in Wien erwachenden Szene einfacher, ambitioniert konzipierter Lokale, die eine neue Generation von Essern im Visier haben. Die lassen sich nicht mehr von Portionsgrößen und der Aufstrichvariation zum Gedeck blenden, legen aber umso mehr Wert auf nachhaltige Zutaten, inspirierte Kombinationen und eine entspannte, Stilgefühl mit Verantwortung verbindende Idee vom Essen.

So was Ähnliches haben sich wohl Miki Apostolo aus Novara, Marcus Walter aus Ischl und Adam Bencze aus dem slowakischen Tvrdosovce/Tardoskedd gedacht. Alle waren im Wiener Gourmettempel von Konstantin Filippou beschäftigt und ertappten sich dabei, lieber etwas Eigenes machen zu wollen. Geworden ist es ein Lokal mit 26 Sitzplätzen, das sie in Eigeninitiative umbauten. Die Versatzstücke trendkonformer Gastroeinrichtung sind jedenfalls da: britische Fleischhauerfliesen, Glühfadenlampen, etwas Kupfer, natürlich eine gekachelte Schank, aus der Bioweine mehr oder minder obskurer Provenienz geholt werden. Die Beleuchtung ist speziell gut gelungen – so eine fein austarierte Balance aus Schummer und Schärfe bringen auch Luxusschuppen nicht alle Abende hin.

Spannende Weine

Was der Sommelier neben österreichischen und internationalen Klassikern des Bioweinbaus an kaum bekannten Spitzengewächsen aus Tschechien, Ungarn, der Slowakei ausschenkt, hat Klasse. Ob Pinot Noir aus Boretice in Mähren, Lindenblättriger aus der Südslowakei oder Blaufränker aus Ungarn – die östlichen Nachbarn zeigen Gespür für Finesse und Zwischentöne. Schmeckt fast so, als reifte vor unserer Haustür der nächste Megatrend der Weinwelt heran.

Beim Essen ist die Bilanz nicht immer eindeutig. Manches, wie der aus sehr frischen, nur zart bitteren, scharfen und nussigen Blättern komponierte Salat mit gerösteten Haselnüssen wirkt in seiner kraftvollen Zurückhaltung formvollendet. Auch das sanft geräucherte, extrem saftige Forellenfilet von Gut Dornau (welch ein Unterschied zu den Aschenbecher-Aromen, die einem bei "alpinen" Supermarkt-Saibling untergeschoben werden!) ist mit fruchtiger Chilimayonnaise, jungem, fast rohem Mangold und einem Polentachip der Extraklasse sehr gut. Paradeisersuppe aus im Sommer eingemachten Früchten vom bereits erwähnten Hof wirkt hingegen flach und unausgegoren – die eigene Scholle allein macht noch kein überzeugendes Farm-to-Table-Konzept.

Großes Hendl

Dafür ist das rosa gebratene, knusprige Filet vom hofeigenen Huhn (viereinhalb Monate auf der Wiese!) monumental gut. Eine mürbe Scheibe vom Kürbis und fruchtige Salsa mit Kürbiskernöl (siehe Bild) dazu, fertig ist ein ebenso klares wie stringentes Gericht, das souverän auf die Qualität der Zutaten fokussiert.

Manches, wie der Einsatz von rotfleischigem Wels beim einzigen Fischgang der Karte, sollte überdacht werden: Das Filet ist zwar tadellos gebraten, der Fisch aber macht sich wie stets sehr breit am Gaumen – ein Umstand, der in der Kombination mit Linsen und Selleriepüree noch akzentuiert wird.

Das ändert freilich nichts daran, dass das Roots ein erfrischender Neuzugang für die mutarme Wiener Restaurantszene ist – wenn der eine oder andere Manierismus im Service und beim Anrichten noch nicht ganz so glatt hinüberkommt wie bei den arrivierten Kollegen, freut man sich im Stillen am jugendlichen Übermut. (Severin Corti, RONDO, 17.3.2017)

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