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In einem Handyshop kam es zu Handgreiflichkeiten (Symbolbild).

Foto: REUTERS/Ibraheem Abu Mustafa

Wien – Mitlesenden Nichtösterreichern sollte man vielleicht zunächst den Titel der Geschichte erklären. Bei einem Häferl handelt es sich nicht zwangsläufig um eine Tasse, es kann sich auch um einen Menschen drehen, der sich leicht aufregt. Michel O. sitzt aus zweitem Grund vor Richterin Minou Aigner.

Dem 40-Jährigen wird vorgeworfen, im vergangenen September in einem Handyshop randaliert und fünf Angreifer mit dem Flaschenhals einer zerbrochenen Flasche bedroht zu haben. Vorwürfe, mit denen er ganz und gar nicht einverstanden ist.

Zum Leidwesen der Richterin gibt er diese Ansicht wortreich, laut, wild gestikulierend und aufbrausend bekannt. Gelegentlich redet er sich so in Rage, dass er zu stottern beginnt. Dass Eigenartige daran: Es liegen recht plausible Beweise vor, dass die Anklage korrekt ist.

Handy als Pfand

Aber der Reihe nach. Es geht um den Abend des 6. September und um ein als Pfand hinterlegtes Mobiltelefon. "Ich bin dort Stammkunde!", beteuert der Paketbote. Als es einmal finanziell eng wurde, wollte er sich dort Geld für Treibstoff ausborgen. "Ich habe gesagt, sie sollen mir 60 Euro geben, ich lasse mein Handy da, und gebe ihnen am nächsten Tag 80 zurück."

Der Verkäufer lehnte das zunächst ab und bot 220 Euro an, wenn ihm O. das Handy verkaufe. Schließlich einigte man sich doch auf die Pfandvariante und verfasste einen Vertrag mit den Bedingungen. Die der Angeklagte nicht einhielt. "Ich war am vereinbarten Tag dort, aber der Mitarbeiter war nicht da!", empört er sich. Als er am nächsten Tag wiederkam, erfuhr er, dass das Gerät mittlerweile verkauft worden war.

Angeklagter sieht Notwehr

"Haben Sie dem Opfer die Brille vom Kopf geschlagen, eine Handyattrappe aus der Halterung gerissen und sind damit vor die Tür gegangen?", fragt Aigner ihn. "Nein, es war Notwehr", sagt der Nigerianer zunächst und streitet die Handlungen dann überhaupt ab.

Die Verhandlung ist tatsächlich mühsam, Entscheidungsfragen müssen zum Teil viermal gestellt werden, da O. ständig irgendwas erzählt. Er bietet auch eine dritte Option: "Ich habe das Handy herausgerissen. Dann haben sie mich zu fünft angegriffen! Dabei ist vielleicht die Brille heruntergefallen."

Sein Problem ist die Existenz eines Überwachungsvideos – auf dem folgende Reihenfolge dokumentiert ist: Zunächst gestikuliert O. wild. Nach zwei Minuten reißt er dem Angestellten die Brille vom Kopf. Dann nimmt er die Handyattrappe an sich, und erst danach entsteht die Rangelei.

"Sklave, geh aus meinem Geschäft!"

Der 40-Jährige bleibt dabei und sieht sich als Opfer. "Ich wurde unterdrückt!", empört er sich. Ein Anwesender hätte ihn mit den Worten "Sklave, geh weg aus meinem Geschäft!" aufgefordert, sich zu entfernen. "Sie haben mich wütend gemacht!", brüllt er fast, ehe die Richterin ihn zur Mäßigung aufruft.

Ein noch schwerwiegenderer Vorwurf ist von der Kamera nicht mehr erfasst worden. O. soll vor dem Lokal eine Flasche zerbrochen, die andere Gruppe mit dem Umbringen bedroht und mit dem gezackten Flaschenhals in ihre Richtung gedeutet haben.

"Die lügen! Die Flasche ist bei dem Angriff im Geschäft zerbrochen!", entgegnet der Angeklagte, der auch immer wieder betont, dass er Aussagen in dem von ihm unterschriebenen Polizeiprotokoll nicht getätigt habe.

Widersprüche zu Flaschenhals

Aus dem Bericht der Exekutive hält ihm die Richterin vor: "Die Beamten haben aber in einem Mistkübel vor dem Geschäft einen abgebrochenen Flaschenhals entdeckt. Und auf dem Gehsteig sind lauter Scherben gelegen. Wie sind die Sachen dorthin gekommen, wenn alles im Handyshop passiert ist?" Nun sagt er, er habe überhaupt keine Flasche wahrgenommen.

Irgendwann wird es Aigner zu bunt. "Schauen Sie, das ist alles auf Video! Wenn wir uns das anschauen müssen, müssen wir vertagen. Dann wissen wir aber vielleicht, dass Sie heute ordentlich gelogen haben. Mit einem Geständnis würden sie eine viel mildere Strafe bekommen", beschwört sie den ohne Verteidiger erschienenen Angeklagten drei oder vier Mal.

Der bleibt stur. Er sei unschuldig. Die Folge: Vertagung auf 12. April. (Michael Möseneder, 18.3.2017)