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Für die Niederländer gibt es wieder etwas zu feiern. Nach einer langen Talfahrt wächst die Wirtschaft wieder kräftig.

Foto: AP/Dario Lopez-Mills

Wien/Amsterdam – Es ist die Geschichte vom wirtschaftlichen und sozialen Abstieg der Niederlande, die Geert Wilders, Chef der Rechtsaußenpartei PVV, in seinem Wahlkampf ständig erzählt. So war es auch bei dem einzigen TV-Duell zwischen Wilders mit dem niederländischen Premier Mark Rutte am Montagabend. Wer den Ausverkauf der Niederlande stoppen will und nicht möchte, dass "Afrika, Brüssel und die Asylwerber weiter das ganze Geld bekommen", der müsse für ihn stimmen, sagte Wilders.

Premier Rutte entgegnete, dass die Niederlande dabei seien, die Krise endgültig hinter sich zu lassen und die Menschen von der Erholung profitieren.

Die rund 12,5 Millionen wahlberechtigten Niederländer werden am heutigen Mittwoch an der Wahlurne also auch darüber entscheiden müssen, welche Erzählung sie eher glauben. Abstieg oder Aufstieg, Wilders oder Rutte.

Für lange Zeit sah es so aus, als dürfte den Menschen die Wahl nicht schwerfallen. Denn die Krise hatte die Niederlande härter getroffen als die meisten anderen nordeuropäischen Länder.

Kollaps der Häuserpreise

Viele Bürger hatten zu billigen Krediten gegriffen, um sich ein Eigenheim zu kaufen. Die Niederländer gehören zu den am stärksten verschuldeten Bürgern in Europa. Als die Blase 2008 platzte, rauschten die Häuserpreise um 23 Prozent in die Tiefe.

Viele Haushalte verloren somit Vermögen, während sie auf dem Schuldenberg sitzenblieben. Als Folge brachen die Konsumausgaben ein. Die gesamte niederländische Wirtschaft geriet in einen Abwärtsstrudel. "Die Regierung unter Premier Rutte verschärfte die Lage mit einer Reihe von Sparpaketen zusätzlich", erzählt der niederländische Ökonom Dimitry Fleming von der ING-Bank.

Die Niederländer, die in der Eurozone so viel Druck auf Griechen und Italiener ausübten, wollten "die Klassenbesten sein", und den Südländern vormachen, wie man ein Budget saniert, so Fleming. Für Beamte gab es daher Nulllohnrunden, Pensionen wurden nicht erhöht, Sozialleistungen gestrichen. Diese Maßnahmen waren mitverantwortlich dafür, dass die Niederlande ab 2011 in eine zweite Rezession fielen.

Doch danach wendete sich das Blatt. Seit gut zwei Jahren erlebt Holland einen wirtschaftlichen Frühling. Nachdem zunächst die Exporte angezogen hatten, setzte eine Erholung auf breiter Front ein, zeigen Daten des Wirtschaftsforschungsinstituts CPB in Den Haag. Die Regierung fuhr das Spartempo zurück und investierte mehr. In der Folge steigerten auch Unternehmer ihre Ausgaben. Die Niederländer ließen sich von der besseren Stimmung anstecken und kauften wieder mehr TV-Geräte, Kühlschränke und Handys, der Konsum zog an.

Geld für den Einkauf

2015 und 2016 wuchs die niederländische Wirtschaft mit gut zwei Prozent und ließ damit den Großteil der Eurozone, auch Deutschland und Österreich, weit hinter sich. Nach einem Zwischenhoch ist die Arbeitslosigkeit wieder auf einen der tiefsten Werte unter allen EU-Ländern gefallen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist kaum wo so niedrig. Der Wohlstand, gemessen an der Wirtschaftsleistung pro Kopf, liegt heute deutlich höher als vor Krisenausbruch.

Vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, dass Wilders einen erfolgreichen Wahlkampf führen konnte, bei dem er von Abstieg redet und für den EU-Austritt wirbt. Umfragen sehen selbst Platz eins für ihn in Reichweite. Besonders am Land und bei den unter 25-Jährigen kann Wilders punkten. Kommen die Fakten bei den Wählern nicht mehr an?

Nachwirkungen der Sparpakete

Wer mit niederländischen Ökonomen und Politologen spricht, bekommt zu hören, dass man selbst keine ganz schlüssige Antwort auf die Frage habe. "Wir sind ein reiches Land, aber vielen Niederländern scheint ihr Bauchgefühl zu sagen, dass es abwärtsgeht", sagt der ING-Bankanalyst Fleming. Dafür werde dann der Globalisierung, der EU, Einwanderern oder dem Islam die Schuld gegeben. Der Ökonom Martijn Badir von der Rabobank mutmaßt, dass die Nachwirkungen der Sparpakete bei vielen Bürgern noch nicht vergessen sein dürften. Die verfügbaren Einkommen der Haushalte seien in den vergangenen 15 Jahren nur leicht gestiegen, auch darüber herrsche bei manchen wohl Frust, so Badir.

Der Politologe Floris Vermeulen von der Uni Amsterdam gibt zu bedenken, dass es nicht unbedingt die Ärmeren sind, die für Wilders stimmen. "Am Arbeitsmarkt kämpfen aktuell vor allem Migranten mit Schwierigkeiten, und das sind nicht die klassischen Wilders-Wähler." In Europa wird die Wahl in Holland genau beobachtet. Zuletzt haben sich die wirtschaftlichen Daten EU-weit verbessert. Die Frage, wer daraus Kapital schlagen kann, ist für viele Regierungen spannend. (András Szigetvari, 15.3.2017)