Pappfiguren bei der Arbeit. Esslinger arbeitet mit vorgefundenen Farben und Zeichen, denen sie beim Ausschneiden Leben einhaucht.

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Graz – Menschen als schaffende, aber nicht anschaffende Figuren porträtierte die Künstlerin Astrid Esslinger in ihren eigenwilligen Strichcodesklaven, die derzeit in der gleichnamigen Ausstellung in der Galerie Grazy der Werkstadt Graz zu sehen sind. Es sind aus Kartonschachteln herausgeschnittene Figuren. Ihre Identitäten wurden teilweise durch vorgefundene Aufdrucke wie Logos oder eben Strichcodes der Industrie sowie durch Interventionen von Esslinger konstruiert – oder zumindest erahnbar gemacht.

Bei Arbeitsaufenthalten unter anderem in São Paulo, Los Angeles und Teheran fand die in Linz lebende Oberösterreicherin ihr Material für diese Sklaven. Sie erzählen gerade durch ihre Gesichtslosigkeit von der geopolitischen Macht der Konzerne und den international lesbaren Codierungen bzw. Regeln, die Arbeiter austauschbar machen.

Verständlich für Analphabeten

Dabei sind gerade die Strichcodes natürlich für den Menschen ohne ein passendes Gerät völlig unentzifferbar. "Mir hat gefallen, dass diese Arbeiten auch der brasilianische Analphabet sofort verstehen kann", erzählt Esslinger am Rande der Eröffnung der Ausstellung. Auf den dicken alten Mauern in den fast archaisch anmutenden kleinen Räumen der Galerie Grazy ist die Wirkung der zu kleinen interagierenden Gruppen oder alleine in einem Eck stehenden Gestalten besonders nüchtern. Die Botschaft der Figuren ist tatsächlich unmissverständlich.

Dabei fand Esslinger in den von ihr besuchten Orten auch Kartonagen, die der internationale Handel von ganz woanders her anlieferte. So sieht man etwa Figuren der Cut-out-Serie, die thailändische Schriftzeichen am Körper tragen wie fantasievolle, aber völlig unverständliche Tattoos. Bei anderen ist das große N einer bekannten Hautcreme zu erkennen. Wieder andere spielen scheinbar mit einem runden orangen Logo eines slowakischen Keksherstellers Handball. Jene Figuren von iranischen Verpackungen sind übrigens frei von Strichcodes, da der dortige Handel nicht an dieses internationale System angeschlossen ist.

Eine Frau als "Snack"

Esslinger schuf einen wichtigen Teil der Narration jedes Sklaven durch die beim Herausschneiden jeweils gewählte Körperhaltung. So assoziiert man bei der fast lasziv liegenden Frauengestalt mit dem Aufdruck "American Snack" unweigerlich auch jenen Markt, auf dem sogenannte Sexsklavinnen ausgebeutet werden. Kuratiert hat die Schau Ursula Hentschläger. (Colette M. Schmidt, 15.3.2017)