Wien – "Wieder eine mehr", scherzte Bundeskanzler Christian Kern, als die neue Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner vergangene Woche kundtat, am Tag zuvor der SPÖ beigetreten zu sein. Allerdings könne man nicht jedes neue Parteimitglied mit einem Ministeramt locken, fügte Kern an.
Die Zahl der Mitglieder bei der SPÖ ist seit dem Amtsantritt von Kern als Bundeskanzler im Mai vergangenen Jahres zwar nicht gestiegen, aber immerhin konnte der rapide Mitgliederschwund der vergangenen Jahre gebremst werden. 2.300 neue Mitglieder verbuchte die SPÖ seit Mai 2016. Abzüglich der Todesfälle und der im gleichen Zeitraum erfolgten Parteiaustritte ist das allerdings immer noch ein kleines Minus, wie SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler im STANDARD-Gespräch einräumt. Er kann allerdings ganz deutlich einen "Kern-Effekt" erkennen und hofft sogar auf eine Trendumkehr durch die Gastmitgliedschaften, die die SPÖ jetzt anbietet.
Einbruch unter Vranitzky und Klima
Aktuell sind es 180.000 Mitglieder, die sich mit Parteibuch zur SPÖ bekennen – bei 1.258.000 Wählern, die bei der Nationalratswahl 2013 für die SPÖ gestimmt haben. Es waren schon einmal wesentlich mehr Parteimitglieder: 1990 hat die SPÖ noch 620.000 Parteibücher vergeben, in den darauffolgenden zehn Jahren unter Franz Vranitzky und Viktor Klima verlor die SPÖ aber fast die Hälfte ihrer Mitglieder. 2002 waren es nur noch 328.000 Mitglieder.
Zum Parteitag im November 2014, als Werner Faymann bei seiner Wiederwahl als SPÖ-Chef von den Delegierten mit einem Ergebnis von mageren 83,6 Prozent abgestraft wurde, gab es 205.000 zahlende Mitglieder, ein Minus von fast 20.000 in zwei Jahren.
Problem Überalterung
Prinzipiell hat die SPÖ ein Problem mit der Überalterung ihrer Mitglieder: Das Durchschnittsalter liegt bei über 60 Jahren, da fallen allein durch Todesfälle jährlich viele Mitglieder weg. Dazu kommen die Parteiaustritte von unzufriedenen oder nicht mehr interessierten Menschen.
Mit Kern ist der SPÖ zwar keine Umkehrung des Negativtrends gelungen, aber die Zahlen scheinen sich zu stabilisieren. Mit einer Öffnung der Partei sollen neue Interessenten angesprochen werden. Am Mittwoch tagte eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des steirischen SP-Chefs Michael Schickhofer, um entsprechende Vorschläge auszuarbeiten. Immerhin haben sich in den vergangenen Wochen 7.500 Personen auf der Plattform worauf-warten.at registriert, die sich für den "Plan A" Kerns erwärmen.
Gastmitgliedschaft
Statt des unter Genossen obligatorischen Grußes "Freundschaft" heißt es in der SPÖ jetzt "Gastfreundschaft": Mit einer Gastmitgliedschaft soll der Kreis jener, die bei der SPÖ andocken, ausgeweitet werden. Diese Mitgliedschaft ist für ein Jahr gratis, dafür kann man sich in Parteigremien einbringen. Ein ordentliches Mitglied zahlt 72 Euro im Jahr an die SPÖ.
Schickhofer soll nun ein Konzept ausarbeiten, das es auch Nichtmitgliedern und der sogenannten Zivilgesellschaft ermöglicht, sich im Prozess für ein neues Parteiprogramm einzubringen. Bei einem Parteivorstand am 27. März sollen erste Projekte beschlossen werden.
SPD legt wieder zu
Mit einem ähnlichen Interesse neuer Mitglieder ist in Deutschland die SPD unter Martin Schulz konfrontiert. Seit Schulz als Kanzlerkandidat seiner Partei feststeht, sind nach Angaben der Parteizentrale in Berlin binnen fünf Wochen 12.000 Menschen der SPD neu beigetreten. Die SPD hat damit erstmals seit vielen Jahren wieder steigende Mitgliederzahlen, aktuell sind 440.000 Menschen bei der SPD, mehr, als die CDU aufzuweisen hat, heißt es auf STANDARD-Anfrage.
Hohe ÖVP-Zahlen
Für Verblüffung in Österreich sorgen die Mitgliederzahlen bei der ÖVP. Die liegen laut Generalsekretär Werner Amon bei 500.000 – und das konstant seit Jahrzehnten, während die Wählerschaft ständig schrumpft. 2013 gab es 1.125.000 ÖVP-Wähler, also etwas mehr als doppelt so viele wie Mitglieder. Die Mitgliedschaften in der ÖVP sind allerdings über die verschiedenen Bünde und Teilorganisationen verteilt – Wirtschaft, Bauern, Arbeitnehmer, Senioren, Frauen und Jugend. Wie viele Personen tatsächlich bei der Bundespartei Mitglied sind, konnte oder wollte die Partei am Mittwoch nicht bekanntgeben. (Michael Völker, 16.3.2017)