Wien – Mehr aggressive Therapie bei frühem Brustkrebs muss nicht besser sein. Umgekehrt kann eine "De-Eskalation" der Behandlung durchaus optimale Behandlungsergebnisse bringen – ohne unnötige Nebenwirkungen und Langzeitkonsequenzen. Das erklärten Fachleute am Mittwoch zu Beginn der 15. Sankt Gallen Brustkrebskonferenz in Wien, die noch bis zum 18. März dauert.

"Die Mortalität bei Brustkrebs fällt konstant. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate beträgt heute in vielen Ländern mehr als 85 Prozent. Das hat aber seinen Preis für viele Frauen. Die Behandlung kann einen Tag oder auch 15 Jahre lang dauern. Die Exposition gegenüber den Medikamenten wurde länger. Die Patientinnen haben damit auch mehr mit den Langzeitkonsequenzen zu leben", sagte die belgische Expertin Martine Piccart, die mit dem diesjährigen internationalen Preis der Veranstalter geehrt wurde.

Die Frage ist, welche Behandlungsform für die einzelne Patientin am besten geeignet ist. Die sich ständig vergrößernden Therapieoptionen von Chirurgie, Strahlenbehandlung, Chemotherapie und antihormonellen Medikamenten und gleichzeitig das Entdecken von immer mehr biologischen Unterarten des Mammakarzinoms machen die Situation zunehmend komplexer. "Die Sterblichkeit bei Brustkrebs ist geringer geworden. Das ist den systemischen (medikamentösen; Anm.) Therapien zu verdanken. Wir haben das durch eine Eskalation der Behandlung erreicht. Jetzt sollten wir unser Augenmerk aber eher auf eine De-Eskalation richten", so der britische Experte Ian Smith vom Royal Marsden Hospital in London.

Problem der Überdiagnose thematisieren

Faktum ist, dass der klassische Ansatz der Anwendung von immer umfangreicheren Kombinationstherapien zwar innerhalb von Jahrzehnten zu deutlichen Verbesserungen geführt hat. Doch mittlerweile ist offenbar ein Punkt erreicht, bei dem noch aggressivere Behandlungsstrategien keine wesentlich besseren Effekte mehr bringen.

"Das Fachmagazin 'The Breast' hat eben eine ganze Ausgabe den Themen der 'Überdiagnose', der 'Überbestrahlung' und der 'Überbehandlung' gewidmet", sagte Philip Poortmans, niederländischer Strahlentherapeut, der jetzt am Institut Curie in Paris wissenschaftliche arbeitet. So gebe es Patientinnen bei denen man durchaus mit einem chirurgischen Eingriff plus einer kurzzeitigen Strahlentherapie auskommen könnte, ohne zusätzlich "automatisch" noch eine Chemotherapie anzuhängen. (APA, 16.3.2017)