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Nach dem denkwürdigen Putschversuch in der Türkei am 15. Juli 2016 wurden Tausende entlassen. Einige auch bei den halbstaatlichen Turkish Airlines.

Foto: Reuters/MURAD SEZER

Wien – Am Wiener Arbeits- und Sozialgericht wird derzeit eine heikle Frage verhandelt. Es geht um den mutmaßlich politisch motivierten Rauswurf eines Beschäftigten. B. Y. erhebt diesen Vorwurf gegen seinen Ex-Arbeitgeber Turkish Airlines.

Zwanzig Jahre hätte er für den Österreich-Ableger der teilstaatlichen Airline in Wien gearbeitet, sagt der 49-Jährige. Sukzessive sei er vom Ticketverkäufer aufgestiegen. "Ich war so fähig, dass ich bei der Koordinierung des Stationsaufbaus beteiligt war." Zuletzt sei er wieder zum Ticketverkäufer "degradiert" worden. Für Y. ist klar, warum: Der Schritt sei politisch und religiös motiviert. Politisch sei er nicht aktiv, beteuert er, aber ein liberaler Freigeist. Vom Freitagsgebet halte er nichts, sagt der mit einer Österreicherin verheiratete Mann, der angibt, derzeit ohne Job zu sein.

Denn am 15. Juli des Vorjahres, am Tag des Putschversuchs in der Türkei, sei er plötzlich freigestellt worden und später dann gekündigt. Y. habe nachweislich Pflichten verletzt, so die Begründung: etwa einen Piloten unerlaubt für die Businessclass upgegradet, Piloten in Panik versetzt. An den Haaren herbeigezogen, sagt dazu Y.

Neuer Mann, neuer Wind

Für ihn ist der Hintergrund ein anderer: Seit vor drei Jahren ein neuer Regionalmanager nach Österreich beordert worden sei, hätte sich der Wind gedreht. Für den Vater zweier Kinder liegt auf der Hand, warum: Es handle sich um einen Ex-Schulkollegen von Präsident Erdoğans Sohn. Unter seiner Ägide seien 17 der 23 Mitarbeiter hinausgeekelt oder gekündigt und durch neue ersetzt worden. Deren einzige Qualifikation hätte wohl darin bestanden, dass sie AKP-nahen Vereinen zuzurechnen wären, behauptet Y.

Turkish-Airlines-Anwalt Mehmet Saim Akagündüz weist einen Zusammenhang zwischen Kündigung und Putschversuch im Gerichtsaal strikt zurück. Auch von religiös motiviertem Hinausdrängen anderer Kollegen könne nicht die Rede sein. "Der Kläger nützt die in den Medien omnipräsenten Themen für seine Sache", sagt er. Was erhobene Diskriminierungsvorwürfe betreffe, wäre es für den Kläger ein Leichtes gewesen, zur Gleichbehandlungskommission zu gehen. Ohnehin seien Mitarbeiter freiwillig – etwa in Karenz – gegangen. Anderen hätte das neue Rotationsprinzip nicht zugesagt.

Unzumutbare Versetzungen, wie Y. sagt: "Wenn die Familie in Wien ist, kann man nicht in Moskau arbeiten." Y. berichtet auch davon, dass eine Ex-Kollegin zum Gleichbehandlungsanwalt gegangen sei, weil man ihr die Hand nicht gegeben habe. Ein anderer Mitarbeiter hätte sich mittlerweile mit seinem Ex-Arbeitgeber verglichen. Zuvor sei er hinausgemobbt worden. Y. sieht darin System: "Wer nicht regimegetreu ist und am Freitagnachmittagsgebet nicht teilnimmt, wird gekündigt."

Gutachten und Zeugen

Die Verhandlung steht erst am Anfang. Jetzt wird einmal mittels Gutachten die soziale Verträglichkeit der Kündigung geprüft. Der Vorwurf der Diskriminierung kommt erst später auf den Tisch. Zeugen werden die jeweilige Sicht untermauern. In Deutschland hatten sich übrigens einige der 211 nach dem Putschversuch gefeuerten Turkish-Airlines-Mitarbeiter ebenfalls vor Gericht gegen ihre Entlassung gewehrt.

Einer von ihnen ist vor dem Berliner Arbeitsgericht vorläufig gescheitert. Die Kündigung sei nicht "unbillig", wurde beschieden. Vom Tisch ist die Sache damit noch nicht. Im anschließenden Kündigungsschutzverfahren in einer anderen Kammer geht es um die Klärung der wirklich wesentlichen Frage: Waren es wirtschaftliche Gründe, oder war es doch politisch motivierte Einflussnahme, die zur Kündigung führte? (rebu, 16.3.2017)