Graz/Wien – Das Grazer Filmfestival Diagonale vom 28. März bis 2. April hat heuer 106 Filme im Wettbewerb, aus 561 Einreichungen ausgewählt, so die Intendanten Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger am Donnerstag bei der Präsentation. Neu im Festival ist das Gesprächsformat "Diagonale im Dialog". Das Festival beginnt am 28. März mit dem Eröffnungsfilm "Untitled" von Michael Glawogger und Monika Willi.
Bei der Eröffnung der 20. Ausgabe in der Grazer List-Halle wird auch der Große Diagonale Schauspielpreis an Johannes Krisch verliehen, in Anwesenheit von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Gesamt werden bei der Diagonale 191 Filme und Videos in 133 Vorstellungen gezeigt. 63 Streifen haben in Graz Premiere, 37 davon sind Uraufführungen.
Eine Preview gibt es noch vor US-Kinostart, sagte Höglinger sichtlich stolz, nämlich "The Bad Batch" der US-Iranerin Ana Lily Amirpour. Der "weibliche Tarantino" (Höglinger) wird am Samstag (1. April) auch eine Masterclass für Filmschaffende halten: "Get your own ball rolling – fast and hard".
"Totgesagte Ort Kino" im Zentrum
Höglinger sagte weiters, die Diagonale fungiere als Vermittlerin, im Zentrum stehe "der oft totgesagte Ort Kino. Die österreichische Filmproduktion ist längst zu groß, um zur Gänze in der Diagonale Platz zu finden. Was zu sehen sein wird, hat auch bereits auf internationalen Festivals reüssiert", so Höglinger. Er nenne da nur die Namen Stefan Ruzowitzky, Josef Hader, Marie Kreutzer und Robert Schabus.
Höglinger pries besonders die "Publikumsgespräche beinahe im Anschluss an jede Vorstellung" an, bei denen die Filmemacher anwesend seien. "Filme landen auf ihrem Weg im sicheren Hafen Graz oder starten von hier aus in die Welt. Da gibt es auch eine große internationale Beteiligung, vergangenes Jahr wurde hier vieles entdeckt", so der Co-Intendant.
Die Themen der Filme könnte man als eine Art Cluster im Festivalprogramm beschreiben, so Höglinger. Der erste Cluster sei u.a. die Erzählung von globalen Grätzeln und internationalen Zusammenhängen. Djordje Cencic etwa wirft in "Unten" einen Blick auf seine Kindheitswelten zwischen Linz und Kroatien zwischen den Zeiten. Peter Zachs Doku "Beyond boundaries – Brezmejno" bewegt sich an den Grenzen von Italien, Österreich, Kroatien und Slowenien. "Diese Filme und auch 'Untitled' bestechen mit Neugier für die Welt und Zufallshaftes", so Höglinger.
Noch stärkeres Genreübergreifen
Der zweite Cluster besteht aus Coming-of-Age-Streifen wie etwa Monja Arts mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnetes Kinodebüt "Siebzehn" oder "Die Mitte der Welt", in der Jakob M. Erwa schillernde, laute Farbenbilder für adoleszente Lebenswelten findet. Karin Bergers Doku "O! Fortuna!" über das Heranwachsen ihrer Tochter beginnt in Super-8-Sequenzen, steht laut den Intendanten "im Kampf mit niemals endenden Wäschebergen und omnipräsenter Pferdehysterie". Das Genreübergreifen schlägt sich heuer noch stärker nieder.
Gesellschaftspolitisch engagiertes Kino findet sich im dritten Konglomerat: Der traditionelle österreichische Film verschreibe sich ja Ansinnen, wie sie der Film "Guardians of the Earth" von Filip Antoni Malinowski über den UN-Weltklimagipfel in Paris zeigt. "Das ist etwas, was kaum einzufangen ist, das ist ein dokumentarischer Kraftakt und hochaktuell angesichts der derzeitigen US-Politik", so der Co-Intendant. Außer Konkurrenz startet "Irak-Syrien" von Matthias Krepp und Angelika Spangel, gestaltet mit der Montage von Handy- und Videoaufnahmen der dortigen Kriege, die dann von Geflüchteten in Österreich kommentiert werden. "Ein Schlag in die Magengrube, eine der größten Überraschungen im Sichtungsprozess, es zeigt, wie wenig man weiß", hieß es.
Diagonale-Trailer von Antoinette Zwirchmayr
Cluster Nummer 4 beschäftige sich mit "Analog und Digital", Virtual Reality und den Fragen, wie es weitergehe mit dem Film an sich. Dazu zähle auch der Diagonale-Trailer von Antoinette Zwirchmayr, der wie alle Trailer der vergangen Jahre im Kunsthaus gezeigt werde. In "Diagonale im Dialog" spricht darüber Filmemacher Virgil Widrich mit Kameramann Christian Berger, dazu gibt es unveröffentlichtes Material aus "Die Nacht der 1000 Stunden" zu sehen.
Finanziell dürfte es heuer bei der Diagonale etwas entkrampfter zugehen: Dass man mit der Steiermärkischen Sparkasse einen neuen Hauptsponsor gefunden habe, habe budgetär Spannungen genommen, sagte Schernhuber. "Sponsoring ist leider nicht selbstverständlich, die Finanzierung war wieder extrem schwierig, weil wir lange nicht gewusst haben, wie das Budget aussieht, es ist noch nicht abgeschlossen." Der Etat wird bei rund 1,3 Mio. Euro liegen.
Sparkassen-Vorstandschef Gerhard Fabisch sagte, sein Institut sei auch gegründet worden mit dem Auftrag, regionale und kulturelle Projekte zu unterstützen. Ein Teil des Gewinns fließe in diese Projekte. "Die Bedeutung des Ö-Films ist auch uns nicht verborgen geblieben. Wir spüren die Begeisterung der Intendanten, wir haben ein sehr gutes Gefühl", so Fabisch, dessen Bank auch das Grazer Mountainfilm-Festival sowie das mazedonische Festival von Ohrid unterstützt. (APA, 17.3.2017)