Integrationsfonds: Ein Beschuldigter hat ausgepackt. Ob er Kronzeuge wird, wird sich erst weisen.

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Wien – Paukenschlag in der Causa Österreichischer Integrationsfonds: Diese Woche hat ein Beschuldigter bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ein Geständnis abgelegt. Er habe im Rahmen der Immobilienverkäufe des Fonds Scheinanbote und falsche Wertgutachten erstellt, heißt es in der "Mitteilung" seines Anwalts an die WKStA. Am Donnerstag sagte der Beschuldigte vor der Staatsanwältin aus. Er peilt den Kronzeugenstatus an, der mit Diversion und Straffreiheit verbunden wäre.

Zur Erinnerung: Die Behörde wirft dem Exchef des staatlichen, damals zum Innenministerium ressortierenden Integrationsfonds (ÖIF) vor, dessen Immobilienbestand unter Zuhilfenahme von Scheinanboten um rund sieben Millionen Euro zu billig an ÖIF-Nahestehende versilbert zu haben. Zudem ermittelt die WKStA gegen Erwerber der 2006 bis 2011 versilberten Wohnungen; es geht also um den Verdacht der Untreue bzw. Beihilfe dazu. Der Exchef des ÖIF, der auch den Stadterweiterungsfonds geleitet hat, weist die Vorwürfe dem Vernehmen nach kategorisch zurück. Für alle 13 Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

Anbot "in Wahrheit nichts wert"

Der Immoexperte schildert die Vorgänge gemäß "Mitteilung" seines Anwalts Meinhard Novak prägnant. Für 167 Wohnungen in Wien-Brigittenau habe er am 24. Oktober 2008 ein Anbot über 750.000 Euro gelegt, aber das "war zu keinem Zeitpunkt ernstlich gemeint". Der Eigentümer der Hausverwaltungsgesellschaft der ÖIF-Wohnungen habe ihn zum Anbot "aufgefordert". Aus einer Mail vom 24. Oktober vom Hausverwalter an ihn: "Hallo, Herr ..., wie besprochen finden Sie anbei Ihr Angebot, mit der Bitte dieses auf Ihrem Offiziellen (sic) Briefpapier noch heute (...) zu versenden. (...) Sie sehen, das (sic) Ihr Angebot vorbehaltlich Finanzierungszusage geschrieben worden ist, damit ist es in Wahrheit nichts wert."

Im März 2008 hatte der Hausverwalter Ähnliches aufgetragen: "Beiliegendes Dokument auf Ihrem Briefpapier ausdrucken, abstempeln und versenden. Sie haben sonst damit nichts zu tun." Wie der Verkauf der Wohnungen in der Brigittenau ausging? Das 750.000-Euro-Anbot war das niedrigste von vieren (alle stammten von ÖIF-Partnern). Gekauft hat: der Hausverwalter. Um 20 Prozent unter Schätzwert, so die Justiz.

Unzulässiger Größenschluss

Gestanden hat der Beschuldigte auch die Erstellung falscher Gutachten für rund 70 ÖIF-Wohnungen, auch diesen Auftrag habe der Hausverwalter vermittelt. Flapsig ausgedrückt bewertete der Mann drei Wohnungen, von denen ein Größenschluss auf die 73 Wohnungen gezogen wurde. "Wert" der Wohnungen: 830.000 Euro.

"Es entspricht nicht einer Wertermittlung de lege artis, wenn auf der Basis von drei vermieteten und unter Außerachtlassung der nicht vermieteten Wohnungen auf einen 'Paketwert' geschlossen wird", räumt der Beschuldigte nun ein. Zudem habe er falsche Methoden verwendet: Er sei von "statischen Mieterträgen" ausgegangen, die Ertragswerte seien "natürlich viel zu gering" ausgefallen. Auch den Bodenwert habe er falsch angesetzt. "Sachverständigen Lesern" des Gutachtens (das ja beim ÖIF-Chef landete) hätte das alles aber "auffallen müssen". Abgesegnet wurden die Verkäufe vom Kuratorium des Fonds, also von Beamten im Innenministerium.

Wie der Verkauf der 70 Wohnungen ausging? Sie landeten bei Gesellschaften von Geschäftspartnern des ÖIF, darunter dem Bruder des Hausverwalters.

"Keine Interessentensuche"

Verquer lief laut dem Beschuldigten auch die Interessentensuche. Der Hausverwalter habe ihm "genaue Vorgaben" gemacht, wen er zur Anbotslegung auffordern solle, Textbausteine habe er gleich mitgeliefert. Die dementsprechenden Angebote seien eingelangt und dem ÖIF-Chef mitgeteilt worden. Und: "Von einer ernsthaften Interessentensuche kann in keiner Weise gesprochen werden."

Ende 2009 legte der Immobilienunternehmer dann, angeblich wieder "über Aufforderung des Hausverwalters", eine Rechnung an den ÖIF: 23.400 Euro für die Durchführung eines Bieterverfahrens. Das habe aber "zu keinem Zeitpunkt stattgefunden", gesteht der Mann nun. Da er damals schon das Vertrauen in den Hausverwalter des ÖIF verloren hatte, überwies er das Geld an dessen Firma zurück, er "wollte das Geld auf keinen Fall behalten".

Was die Hausverwalterfirma damit tat? Sie legte dem Unternehmen des nun Geständigen eine Rechnung. Für "Werbung und Marketing" einer Büroeröffnung. (Renate Graber, 17.3.2017)