Sieht viele Projekte, die an ihn herangetragen werden, als nicht finanzierbar an: Investor Johann Hansmann.

Foto: Regine Hendrich

Mit dem Verkauf des oberösterreichischen Start-ups Runtastic an Adidas wurde Johann Hansmann einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Es war dies ein gelungener Exit des Business Angels. Weiterhin investiert er in Start-ups, vornehmlich aus dem Tech-Sektor. Dabei hält er das Team für wichtiger als die Idee.

STANDARD: Sie gelten als einer der großen Start-up-Financiers in Österreich. Bekommen Sie nicht irrsinnig viele Projektvorschläge, die manchmal nicht so toll sind?

Hansmann: Ja, es sind schon sehr viele. Ich bekomme 25 bis 30 Projekte pro Woche auf den unterschiedlichsten Kanälen vorgelegt. Per Mail, Facebook, auch per handgeschriebenen Brief. Und ich bin bei vielen Vorträgen und spreche mit Leuten, die mir Projekte vorstellen. Dabei ist es so, dass ich den Großteil der Projekte als nicht finanzierbar ansehe: aus meinem Bauchgefühl heraus, aufgrund meiner Erfahrung und meines Zahlenverständnisses. Die sagen mir: Das wird nichts werden. Es ist aber auch international so, dass von hundert Projekten nur fünf bis sieben Potenzial haben.

STANDARD: So wenig? Warum das?

Hansmann: Nicht nur, weil ein Projekt manchmal nicht gut ist. Das Gründerteam ist wichtiger als das Projekt selbst. Es muss in der Lage sein, die Firma aufzustellen und erfolgreich zu machen. Die Idee ist nur ein Prozent, der Rest sind harte Arbeit, richtiges Timing und vor allem die richtigen Leute, die leidenschaftlich und voller Energie an ihre Sache glauben und einen Plan exekutieren können.

STANDARD: Also die Menschen sind wichtiger als die Sache selbst?

Hansmann: Bei mir kommt es in erster Linie auf das Gründerteam an. Mir müssen die Leute sympathisch sein, und ich muss Vertrauen haben, und sie müssen wirklich richtig gut sein. Denn es liegt lange, schwere Arbeit vor ihnen, und die müssen sie meistern können. Ich investiere auch nicht in eine Einzelperson. Natürlich muss es auch ein gut durchdachtes Geschäftsmodell geben, aber wichtiger ist das Team, und zumindest einer vom Team muss ein "Unternehmergen" haben. Denn ein Geschäftsmodell kann man anpassen und optimieren oder sogar verändern. In dieser frühen Phase ist ein Geschäftskonzept nicht in Stein gemeißelt, man muss es meistens ohnehin noch adaptieren.

STANDARD: Sie sind mit Runtastic bekannt geworden, einem oberösterreichischen Start-up, das Fitness-Apps entwickelt. Das Unternehmen wurde im Vorjahr um 220 Millionen Euro an Adidas verkauft. Ist dies Ihr lukrativster Exit, bei dem Sie für sechs Prozent 13,2 Millionen Euro bekommen haben?

Hansmann: Ich habe mittlerweile über 70 Firmen begleitet und 20 davon verkauft. Der Verkauf von Runtastic zusammen mit den Gründern ist sicher einer meiner erfolgreicheren Ausstiege. Aber auch Shpock war sehr erfolgreich. Es ist dies eine Flohmarkt-App, die an den norwegischen Medienkonzern Schibsted ging. Da ging es um eine ähnliche Größenordnung.

STANDARD: Es geht bei Ihnen immer um Apps?

Hansmann: Es geht bei mir meistens um Internet und neue Medien. Doch außer in digitale Firmen investiere ich auch in Old Economy wie Medizinzentren oder Rechtsanwaltsbüros. Die sind nicht digital, aber dahinter stehen innovative Konzepte.

STANDARD: Gab es auch Flops?

Hansmann: Rückblickend wenig. Ich habe bei zwei aufgehört zu finanzieren. Die sind noch nicht zugesperrt, aber es fallen derzeit keine Kosten an. Alle anderen sind mehr oder weniger auf Spur, was auch immer das bei einem Start-up heißt, haha.

STANDARD: Die österreichische Politik hat das Thema seit kurzem auch entdeckt. Es wird viel gefördert. Ist so ein staatliches Engagement mit Steuergeld sinnvoll?

Hansmann: Leider ist Österreich ein bisserl spät dran, das wäre schon vor zwei, drei Jahren gut gewesen. Aber besser spät als gar nicht. In anderen europäischen Ländern, besonders in den USA, wird viel mehr gemacht. Start-ups sind als Innovationstreiber unglaublich wichtig. Da sollte noch viel mehr Geld hineingepumpt werden, denn provokativ gesagt: Wozu sonst soll Geld gut sein?

STANDARD: Sie saßen in der Jury der Puls-4-Sendung "2 Minuten 2 Millionen", bei der Menschen ihre Geschäftsidee vorstellen können und Investoren überzeugen müssen. Sie haben damit aufgehört. Warum?

Hansmann: Solche Sendungen bringen den Sehern auf unterhaltsame Weise das Thema näher. Das ist gut so. Das Problem ist, dass man als seriöser Investor oft nicht wirklich einsteigen will. Deshalb habe ich mich aus der Jury wieder zurückgezogen. Aber es war ein Spaß, und vor allem zeigt so ein Format, dass man mit einer guten Idee Unternehmer werden kann. Denn mehr Unternehmer, das ist es, was wir brauchen in der Zukunft. Die großen Betriebe mit vielen Mitarbeitern, die einen Job auf Lebenszeit haben, diese Zeiten sind vorbei.

STANDARD: Wieso?

Hansmann: Weil die Digitalisierung alle Lebensbereiche ändert – in einem Ausmaß, das wir uns derzeit noch gar nicht so richtig vorstellen können. Das können wir versuchen mitzuverändern – oder diese Welle wird über uns drüberschwappen. Wir müssen flexibler werden, unsere Jugend braucht eine veränderte Ausbildung, und wir brauchen mehr unternehmerisches Denken und Handeln. Leider hat der Unternehmer in Österreich ein eher negatives Image, daran sollten wir arbeiten. Denn ohne Unternehmer keine Arbeitsplätze und damit auch kein Wohlstand. So einfach ist das.

STANDARD: Sie sagen, dass es auch bei Business-Angels jungen Nachwuchs geben muss?

Hansmann: Ich habe vor fünf Jahren die Austrian Angel Investors Association, die AAIA, mitgegründet. Das ist ein nicht auf Gewinn orientierter Verein mit über 200 Mitgliedern, wo Manager, Unternehmer oder Leute, die Geld über haben und gerne mit jungen Gründern zusammenarbeiten, an die Tätigkeit des Business-Angels herangeführt werden. Denn auch das ist ein Beruf, den man lernen muss. Wenn man einfach Geld hat und sagt, okay, ich investiere in ein junges Unternehmen und mache das groß – das geht in der Regel schief. Die besten Business-Angels sind meiner Erfahrung nach erfolgreiche Gründer, die bereits eine Firma aufgebaut und damit Geld verdient haben. So etwas mache ich sowohl mit den Runtastic-Gründern als auch mit den Shpock-Gründern. Mit den Runtastic-Leuten zum Beispiel habe ich acht gemeinsame Beteiligungen, glaube ich.

STANDARD: Wo kam Ihre erste Million her? Oder sind Sie reich geboren?

Hansmann: Nein, ich bin nicht reich geboren. Ich habe in der Pharmaindustrie gearbeitet, in einem großen Konzern. 1992 habe ich im Rahmen eines Management-Buy-outs die Pharmafabrik, die ich in Spanien geleitet habe, mit Partnern gekauft, mein eigenes Pharmaunternehmen aufgebaut und zwischen 2003 und 2006 nach und nach verkauft. Dann ging ich zurück nach Österreich und wurde Investor. Seit 2010 mache ich das mit sogenannten Start-ups. Das Geld, das ich als Unternehmer verdient habe, investiere ich.

STANDARD: Warum Start-ups?

Hansmann: Ich liebe es, zusammen mit jungen, hochbegabten Leuten etwas Neues aufzubauen – ein innovatives Geschäftsmodell, das es so bis jetzt noch nicht gibt. Das ist extrem herausfordernd, durchaus sportlich, und man kann dabei viel gewinnen – und ich meine nicht in erster Linie Geld.

STANDARD: Wie definieren Sie die Rolle des Business-Angels im Unternehmen?

Hansmann: Das wesentliche Kriterium des Business-Angels ist, dass er nicht nur mit Geld hilft, sondern vor allem mit Erfahrung und seinem Netzwerk. Weil das sind genau die Dinge, die der Jungunternehmer nicht hat. Dabei ist Business-Angel, so wie ich das verstehe, nicht ein so lockerer Job, wie man sich das vielleicht vorstellt. Bei der großen Anzahl an Beteiligungen, die ich halte, ist das in der Zwischenzeit ein echter Fulltime-Job geworden. Wenn junge Gründer ein Problem haben, das sie allein nicht lösen können und meinen Rat brauchen, dann wollen sie den meistens sofort. (Johanna Ruzicka, 20.3.2017)