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Jetzt Kanzler – ganz so weit ist es noch nicht. Doch Martin Schulz (li.) ist seinem Ziel am Sonntag nähergerückt.

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Denn "Jetzt ist Schulz" gilt zumindest für die SPD: Zu deren Chef wurde er mit 100 Prozent gewählt.

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Gut gelaunt war der frühere EU-Parlamentspräsident schon zuvor.

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Es gibt, egal in welcher Partei, gute und weniger gute Parteitage. Jener der SPD am Sonntag in Berlin ist – aus Sicht der Sozialdemokraten – sogar ein Wellnessparteitag. Kein Streit, keine inhaltlichen Debatten, keine miesen Wahlergebnisse, die es zu verarbeiten gilt. Man ist in der "Arena" in Treptow einzig zu einem Zweck zusammengekommen: Martin Schulz wird zum neuen SPD-Vorsitzenden gewählt und als Kanzlerkandidat nominiert.

"Jetzt Kanzler" heißt es auf einem Poster, das ein Delegierter hochhält, als Schulz einzieht. "Jetzt ist Schulz" steht auf einem anderen. Auch SPD-Vizechefin Hannelore Kraft, die am 14. Mai als Ministerpräsidentin Wahlen in Nordrhein-Westfalen zu schlagen hat, macht bei ihrer Begrüßung klar, worum es den Genossen geht: "Heute setzen wir den Schulz-Zug auf Gleise, und diese führen direkt ins Kanzleramt."

Gabriel gerührt

Doch bevor der "heilige Martin", wie Schulz in der SPD intern schon genannt wird, auf die Bühne treten kann, heißt es noch Abschied nehmen. Abschied von Sigmar Gabriel, der nach Willy Brandt der am längsten dienende SPD-Chef war und der nun abtritt, um Platz für Schulz zu machen, da die SPD mit diesem wohl die besseren Chancen hat.

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Gabriel dreht noch mal richtig auf, spricht fast 70 statt der vorgesehenen 30 Minuten und versichert dabei: "Es gibt keinen Grund für Melancholie. Es dürfte der fröhlichste und optimistischste Übergang sein, den unsere Partei in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat."

Endlich ist Schulz mit seiner "Bewerbungsrede" dran, und nun fließen doch bei Gabriel Tränen – nämlich als Schulz sich bei ihm bedankt, dass er seinen "eigenen Ehrgeiz" zurückgestellt habe. Da zieht Gabriel, der ohnehin stark erkältet ist, sein Taschentuch.

Gerhard Schröder fehlt

Doch dann blickt Schulz nach vorne und erklärt: "Die SPD ist wieder da! Wir sind wieder da!" Vom einfachen Delegierten bis zu den roten Promis, alle applaudieren. Nicht gekommen ist übrigens Gerhard Schröder. Andere Termine, heißt es in der SPD. Aber man ist offenbar ganz froh darüber. Denn Schulz will ja Schröders Sozialreformen abmildern.

Am Sonntag wird er aber nicht konkreter. Er wiederholt nur, dass ältere Arbeitslose länger Unterstützung bekommen sollen, und wendet sich an Kritiker dieser Pläne: Die Zukunft Deutschlands hänge "nicht von der Länge des Bezugs des Arbeitslosengeldes", sondern von der Qualifikation der Erwerbslosen ab.

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Neu in seinem Programm: Er will eine vom Staat finanziell geförderte Familienarbeitszeit einführen, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern. Konkrete Vorschläge sollen folgen. Auch fordert Schulz kostenlose Bildung vom Kindergarten bis zur Universität.

Niemanden zurücklassen

Immer wieder betont er unter großem Applaus, dass die Sozialdemokraten niemanden zurücklassen dürften. Es gehe stets um die Überlegung: "Wie machen wir die Welt genau dieser Menschen ein kleines bisschen besser?" Wenn dies gelinge, dann seien Menschen "auch nicht so anfällig für die einfachen Botschaften der Verführer". Die Alternative für Deutschland (AfD) bezeichnet Schulz als "Schande".

Nicht namentlich erwähnt von ihm wird Kanzlerin Angela Merkel. Aber die Steuersenkungspläne der Union nennt er einen "alten Wahlkampfschlager, der angesichts der gleichzeitig geplanten Erhöhung der Rüstungsausgaben die Gesellschaft spaltet. Und er fügt hinzu: "Es ist sehr gut, dass es dazu nicht kommen wird."

Dann zum Schluss nach seiner Rede und der Wahl kommt der Moment, in dem selbst Schulz sprachlos ist und nur noch den Kopf schüttelt. Er wird als erster SPD-Chef seit 1945 mit 100 Prozent Zustimmung gewählt. Wenige Minuten später ist er auch Kanzlerkandidat – ebenfalls mit 100 Prozent. (Birgit Baumann aus Berlin, 19.3.2017)