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Den Gangster mit dem Geldkoffer gibt es auch heute noch, der größte Teil der Geldwäsche funktioniert aber mittlerweile bargeldlos.

Foto: dpa/Oliver Berg

München – Binnen weniger Jahre sind einem Zeitungsbericht zufolge mehr als 20 Milliarden Dollar (18,6 Milliarden Euro) dubioser Herkunft aus Russland in die EU geflossen. Die "Süddeutsche Zeitung" vom Dienstag beziffert den mutmaßlichen Schwarzgeldbetrag auf mindestens 20,7 Milliarden Dollar (19,3 Milliarden Euro). Das Geld soll zwischen 2010 und 2014 aus Russland in die EU geflossen sein.

Mithilfe undurchsichtiger Briefkastenfirmen in Großbritannien und mutmaßlich korrupter Richter in der Republik Moldau sei das Geld auf legale Konten im Westen transferiert und dort zum Einkauf im großen Stil benutzt worden, berichtet die Zeitung.

Abgezweigt von Ausschreibungen

Die Spur beginnt in Russland, hier beginnen die Milliarden zu fließen, heißt es auf der Rechercheplattform "Dossier", die am Dienstag auch über Geldflüsse nach Österreich berichtete. Im Datensatz befinden sich laut "Dossier" 32 österreichische Bankverbindungen. Insgesamt sollen 4,1 Millionen Euro in 88 Transaktionen an mutmaßlichem Schwarzgeld aus Russland nach Österreich geflossen sein. Auf der österreichischen Liste stehen demnach kleine und große Unternehmen aus der Bau-, Elektronik- und Textilbranche, ein Vier-Sterne-Hotel in Vorarlberg, eine Wiener Privatschule, ein Gericht und einige Privatleute.

Die in Österreich gelandeten Summen seien im Vergleich zu anderen Ländern eher gering. Mit mehr als 1,5 Millionen Euro, verteilt auf 25 Tranchen, sei die größte Summe an ein Unternehmen in Tirol gegangen. Laut "Dossier" wollte das Unternehmen zu der Zahlung keine Stellungnahme abgeben. Die meisten der 32 Empfänger hätten jedoch auf die Anfragen geantwortet – der Tenor: Es handle sich um legitime Geschäfte, von den Briefkastenfirmen, die zum Teil sechsstellige Beträge überwiesen hatten, habe man aber noch nie etwas gehört. Die betroffenen Kunden, die die Beträge überwiesen haben, habe kaum ein Unternehmen offengelegt, berichtet "Dossier".

Steuerhinterziehung und Betrug

"Ein Teil des Geldes wurde von öffentlichen Ausschreibungen abgezweigt", sagt der Leiter der Rechercheplattform OCCRP, Paul Radu. OCCRP steht für Organized Crime and Corruption Reporting Project und besteht aus 24 unabhängigen Recherchezentren in verschiedenen Ländern, aus Österreich arbeitet "Dossier" daran mit.

Steuerhinterziehung und Betrugsdelikte seien weitere Straftaten – sogenannte Vortaten –, aus denen das Geld stamme. Nach wie vor ist die Herkunft des Geldes nicht vollständig geklärt. Unter großem Aufwand sei versucht worden, die Spuren zu verwischen, sagt Radu im Gespräch mit "Dossier". Akten seien verbrannt, Dokumente vernichtet worden.

"Die meisten der österreichischen Empfänger dürften ohne ihr Wissen Teil des Netzwerks der mutmaßlichen Geldwäscher geworden sein", schreibt "Dossier". Für sie seien es völlig übliche Geschäfte gewesen. Grundsätzlich seien mit dem Geld "triviale" Dinge wie Damenjacken, Computerzubehör und Autoersatzteile gekauft worden. Bezahlt wurden unter anderem Möbelhändler, Bekleidungshersteller und ein börsennotierter Rohstoffhändler; auch Privatpersonen, eine Schule und ein Gericht.

Funktioniert habe die Geldwäsche über Briefkastenfirmen in der EU. Die eine habe der anderen Geld geliehen, das sie überhaupt nicht hatte. Für die Rückzahlung haftete eine russische Firma. Wenn dann die Empfängerin nicht zurückzahlen konnte, sprang die russische Haftung ein – und das Geld floss nach Europa. Um dem einen formellen Anschein zu geben, sei das Geld über ein Gericht in Moldawien eingeklagt worden, moldawische Gerichte hätten den Anspruch bestätigt. In Summe seien mehr als 18 Milliarden Dollar so legitimiert worden.

Schattenwirtschaftsexperte Friedrich Schneider über Aufkommen und Bekämpfungsmethoden von Schwarzgeld. (Quelle: dossier.at)
dossierat

70.000 Überweisungen

Die "Süddeutsche Zeitung" stützt den Bericht nach eigenen Angaben auf einen Datensatz von etwa 70.000 Überweisungen, der ihr selbst und internationalen Partnermedien vorliege. Die "SZ" konnte demnach 662 Fälle identifizieren, in denen Geld von Konten in Lettland genutzt worden sei, um in Deutschland Rechnungen zu bezahlen. Firmen oder Menschen aus Russland, der Ukraine oder Weißrussland hätten Produkte im Einzelhandel gekauft oder sich Waren liefern lassen.

Die Bezahlung hätten immer die Briefkastenfirmen übernommen, heißt es in dem Bericht. 66,5 Millionen Dollar seien auf diesem Weg in den Büchern deutscher Unternehmen oder bei Privatpersonen gelandet.

Bereits im Jahr 2014 hatten Journalisten des internationalen Recherchenetzwerks OCCRP (Organized Crime and Corruption Reporting Project) das gigantische Geldwäsche-sstem aufgedeckt, das mutmaßlich von Russland aus gesteuert wurde. Dem OCCRP und der russischen Tageszeitung "Nowaja Gaseta" wurden laut "SZ" nun Daten zugespielt, die erstmals zeigen, wer von dem Geld profitierte. (APA/red, 21.3.2017)