Es ist ein Beispiel für die Doppelmoral der K-Pop-Branche (Korean Pop): Zwar gelten Schönheitsoperationen als offenes Geheimnis und sind für die meisten Bands ähnlich unabdingbar wie Gesangsunterricht und Tanzchoreografien, doch darüber reden wollen nur die wenigsten. Nach außen hin wird der Schein der natürlichen Schönheit gewahrt.

Nun hat eine südkoreanische Girlband einen entgegengesetzten Weg eingeschlagen. "Die Leute würden es ja ohnehin merken. Statt es zu verheimlichen, machen wir lieber einen Song darüber", sagte Dain, Sängerin von Six Bomb, der Nachrichtenagentur AFP.

Das Musikvideo zeigt die Mitglieder der Girlband Six Bomb nach ihren Eingriffen.
DanalEntertainment

Pinke Latexanzüge

Während der Titel ihres vor kurzem veröffentlichten und öffentlich kontrovers diskutierten Songs "Schön werden" noch einen gewissen Interpretationsspielraum für Doppeldeutigkeiten übriglässt, klärt das dazugehörige Video in wenig subtilen Bildern auf, worum es hier geht: eine ungenierte Ode an die Möglichkeiten der plastischen Chirurgie.

Nachdem die vier Bandmitglieder während der Eingangssequenz in pinken Latexanzügen in einen OP-Saal stolziert sind und auf einem OP-Tisch Platz genommen haben, blendet die Kamera ins grelle Weiß der OP-Leuchte über. Die weiteren Szenen werden konsequent in Splitscreen gezeigt: Auf der linken Seite sieht man die ungeschminkten Mädels in quasidokumentarischen Aufnahmen, mit Augenringen, fahler Haut und ungeschminkt. Auf der rechten Seite posieren sie nicht nur perfekt gestylt und in exzentrischen Outfits, sondern auch mit nahezu ausgetauschten Gesichtern.

Die Mitglieder der Mädchenband Six Bomb zeigen durch Fotos, wie sie vor den Eingriffen ausgesehen haben.
Foto: APA/AFP/JUNG YEON-JE

Großer Markt für Eingriffe

Umgerechnet rund 80.000 Euro will das Label nach eigenen Angaben in die "Verschönerung" der vier Bandmitglieder investiert haben. Neben Brustimplantaten hätten sie laut Management "fast jeden Eingriff, der im Gesicht möglich ist", vornehmen lassen.

Man könnte das Lied als subversive Kritik an einer patriarchalen Gesellschaft lesen, in der das Aussehen einen großen Einfluss auf die Jobchancen der weiblichen Bevölkerung hat. Trotz gerade einmal 50 Millionen Einwohnern beherbergt Südkorea den weltweit drittgrößten Markt für plastische Eingriffe. Busse und U-Bahnen werden von Werbeslogans der großen Schönheitskliniken geziert, die das geringe Selbstbewusstsein ihrer zumeist weiblichen Kundschaft triezen: "Jeder außer dir hat es getan", steht dort etwa geschrieben. Oder: "Keine Sorge, jetzt kannst du endlich heiraten."

Vor der Veröffentlichung ihres neuen Songs unterzogen sie sich alle Schönheitsoperationen.
Foto: APA/AFP/YELIM LEE

Kein ironischer Bruch

Doch letztlich fehlt dem Song mit dem kitschigen Europop-Beat jeder ironische Bruch. Spätestens nach den grenzwertig dadaistischen Lyrics wird klar, dass die Mädels das genau so meinen, wie sie es sagen: "Ich werde schöner / lach mich nicht aus / Ich werde einen besseren Mann kennenlernen / Nein, ich bin nicht traurig."

Der PR-Stunt der vier Südkoreanerinnen erzählt vor allem von der dunklen Seite einer schnelllebigen Popbranche, in der sich wenige Künstler eine nachhaltige Karriere aufbauen können. Viele Bands versuchen mit immer grelleren Aktionen nach medialer Aufmerksamkeit zu heischen. Im Jahr 2014 etwa trat eine Girlband in schwarzen Mänteln auf, die den SS-Uniformen der Nazis zum Verwechseln ähnlich sahen. Andere Bands treiben ihr Lolita-Image mit immer anzüglicheren Schuluniformen auf die Spitze.

Ob der kalkulierte Skandal bei Six Bomb aufgehen wird, bleibt fraglich: Zum Tabubruch reichen Schönheits-OPs in Südkorea schließlich kaum mehr aus. (Fabian Kretschmer aus Seoul, 22.3.2017)